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Gesundheit: Tsunami-Alarm auf Art der Delfine

Berliner Forscher entwickeln Technik, um große Datenmengen drahtlos vom Meeresboden zu übertragen. Ein industrieller Prototyp existiert bereits

Die verheerende Tsunami-Katastrophe vom Dezember vergangenen Jahres hat es deutlich gemacht: Ein effektives, elektronisches Warnsystem wird dringend benötigt. Noch sind dafür große Probleme zu lösen. Ein Teil dieser Lösung könnten uns, so legen Berliner Forscher nun nahe, die Delfine liefern.

„Will man in diesen instabilen Zonen ein effektives Frühwarnsystem installieren, ist es nicht damit getan, Messsonden in den Meeresboden zu versenken“, sagt Konstantin Kebkal, Leiter einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe am Institut für Bionik der Technischen Universität Berlin. „Entscheidend wird es sein, die Daten schnell und zuverlässig nach oben in die Informationszentralen zu leiten.“

Doch wie transportiert man enorme, alle paar Sekunden anfallende Datenmengen aus einer Tiefe von mehreren Tausend Metern an die Meeresoberfläche? Bisher wurden dafür teure und aufwändige Spezialkabel verlegt. Günstiger wäre da schon eine Funktechnik. Aber die ist im Meerwasser wiederum äußerst störanfällig.

Wie es effektiver gehen könnte, haben die TU-Wissenschaftler von Delfinen gelernt. Dem Team um Kebkal ist es gelungen, die von den Meeressäugern genutzte Kommunikation technisch umzusetzen. Mit der Delfin-Methode lassen sich auch große Datenmengen beispielsweise für Videosequenzen kabellos aus der Tiefe übertragen.

„Aus Beobachtungen und Experimenten am Schwarzen Meer wissen wir, dass die Delfine ihre Frequenzbänder spreizen und die Signale so modulieren können, dass Störungen ausgeschaltet werden“, sagt der ukrainische Wissenschaftler. „Delfine können erkennen, ob ein Signal direkt oder nur auf Umwegen, etwa durch Reflexion an Klippen oder dem Meeresgrund, zu ihnen gelangt.“

Die intelligenten Tiere verständigen sich in einem Frequenzbereich von vier bis 80 Kilohertz. Am empfindlichsten hören sie zwischen 40 und 80 Kilohertz. In diesem Ultraschallbereich können sie zwei bis 2,5 Kilometer überbrücken. Bei tieferen, für Menschen hörbaren Frequenzen zwischen vier und 16 Kilohertz schaffen sie sogar bis zu zehn Kilometer.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelten die Forscher ein Übertragungsmodem, mit dem sich elektronische Daten bis zu zwei Kilometer weit im Meer verbreiten lassen. „Ein industriereifer Prototyp existiert bereits“, sagt Kebkal. „Unsere Versuche unter den akustischen Bedingungen der Ostseeküste und in der Nordsee haben gezeigt, dass das TU-Modem allen anderen technischen Systemen klar überlegen ist.“

Derzeit wird an einem zweiten, noch robusteren Modem gearbeitet, das Distanzen zwischen sechs und acht Kilometern überbrücken soll. Damit wären auch große Teile der Tiefseegräben erreichbar, bei denen Verschiebungen der Erdkruste oder vulkanische Aktivität die gefürchteten Tsunami heraufbeschwören.

So lag das Epizentrum des Seebebens vom Dezember rund 30 Kilometer tief in der Erdkruste, weit unter dem Meeresgrund. Die Wucht war so gewaltig, dass sich der Meeresboden auf rund 1000 Kilometern Länge um bis zu 30 Meter hob. Sogar an den weit entfernten Küsten von Ostafrika waren Opfer zu beklagen.

Bisher müssen Messfühler auf dem Meeresgrund, Tieftauchsysteme oder Inspektionsgeräte für Pipelines verkabelt werden. Wegen hoher Störanfälligkeit ging die teure Spezialtechnik oft verloren. Hinzu kommen die Kosten für unzählige Messfühler und Zigtausende Kilometer teure Spezialkabel, wie sie für ein Warnsystem erforderlich wären, um die Leitungen gegen enormen Wasserdruck und Salzwasser abzuschirmen.

Das neue Unterwassermodem der TU Berlin, das in einen handlichen Metallzylinder passt, macht diese Art der Vernetzung überflüssig. Um die Technik zu entwickeln, gründeten die Wissenschaftler vor fünf Jahren die Firma Evologics, die bereits neun Mitarbeiter hat. Sie wurde mit damals 1,5 Millionen Mark (767000 Euro) aus dem Futour-Programm des Bundesforschungsministerium (BMBF) unterstützt. Die zweite und deutlich leistungsfähigere Generation des Ultraschallmodems wird das BMBF mit 200000 Euro fördern.

Mehr im Internet unter:

www.bionik.tu-berlin.de

Heiko Schwarzburger

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