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Gesundheit: Verräterische Rillen

Bald werden in Pässen Fingerabdrücke gespeichert. Was ist an dem Muster so einmalig?

Um die Details des neuen Passgesetzes streiten sich die Regierungsparteien noch. Wer darf wann auf welche Daten zugreifen? Jedenfalls sollen bald – so will es auch die EU – die biometrischen Daten des Gesichts und zwei Fingerabdrücke elektronisch gespeichert sein.

Mithilfe dieser digitalen Informationen lässt sich die Identität besser überprüfen. Durch Vergleich mit Mustern, die in Datenbanken, etwa bei Interpol, hinterlegt sind, sollen gesuchte Personen besser identifiziert werden können. Dass für einen Menschen das Gesicht charakteristisch ist, leuchtet ein. Doch warum soll das auch für Fingerabdrücke gelten?

Solche Abdrücke entstehen, weil die Haut auf der Innenseite der Hände Rillen aufweist. Diese „Papillarlinien“ entwickelten sich vor Millionen von Jahren, und zwar nicht nur bei den Vorfahren des Menschen, sondern auch bei anderen höheren Säugetieren.

Wie Autoreifen ein Profil besitzen, um nicht ins Rutschen zu kommen, so ermöglichen die Rillen unserer Handflächen einen sicheren Griff. Eine wichtige Sache, wenn man auf Bäumen herumturnt, wie unsere Vorfahren es taten. Auch unsere Füße haben auf der Unterseite Papillarlinien. Andere Kletterkünstler unter den Säugetieren besitzen ebenfalls Rillen an Händen und Füßen, zum Beispiel Schimpansen.

Ein Blick auf die Fingerkuppen offenbart, dass die Hautrillen dort viele Bögen, Schlaufen, Wirbel und Verzweigungen bilden. Das ergibt ein verschlungenes Muster: den Fingerabdruck. Jeder Finger hat seinen unverwechselbaren Abdruck, der sich auf keinem anderen Finger wiederholt – egal, ob dieser nun der gleichen oder einer anderen Person gehört. „Selbst bei eineiigen Zwillingen finden sich keine gleichen Abdrücke“, erklärt Kriminalhauptkommissar Harald Weisel vom Bundeskriminalamt (BKA). Das ist kein Naturgesetz. Es scheint nur zu unwahrscheinlich, dass ein bestimmter Fingerabdruck mehrfach vorkommt.

Die Papillarlinien auf unseren Händen und Füßen bilden zufällige Muster. Sie entwickeln sich bereits im dritten Schwangerschaftsmonat und ordnen sich in unvorhersehbarer Weise an. Es gibt dabei offenbar so viele Variationsmöglichkeiten, dass die Wahrscheinlichkeit für zwei identische Muster äußerst gering ist. Zudem bleiben die Abdrücke lebenslang unverändert. Manchmal sieht man in Filmen, wie sich Verbrecher die Fingerkuppen abschmirgeln, damit sie keine Abdrücke mehr hinterlassen. Ein sinnloses Unterfangen: Die Rillenmuster wachsen in allen Einzelheiten wieder nach.

Bei der Aufklärung von Verbrechen spielen Fingerabdrücke eine große Rolle. Fachleute, auch Daktyloskopen genannt, klassifizieren den Abdruck nach bestimmten Merkmalen, so dass er später schnell wieder erkennbar ist.

Man unterscheidet Muster und Minutien. Erstere sind Grundstrukturen innerhalb des Fingerabdrucks. Ein Beispiel hierfür ist der Bogen, bei dem alle Papillarlinien übereinander liegen und quer über den Finger laufen, wobei sie in der Mitte nach oben gewölbt sind. Ein anderes Muster ist die Schleife: Hier beginnen die Papillarlinien an einer Seite des Fingers, laufen zur Mitte, kehren dann wieder um und laufen zurück. Schleifen werden unter anderem danach unterschieden, ob sie ihre Öffnung rechts oder links haben. Minutien sind die Abweichungen von diesen Grundstrukturen. Es gibt viele verschiedene, etwa Gabelungen (eine Papillarlinie verzweigt sich), Haken (von einer Papillarlinie geht eine zweite ab, die nach kurzer Strecke endet) oder Inseln (eine Papillarlinie teilt sich in zwei Stränge, die wenig später wieder zusammenlaufen). Auf einem einzigen Finger gibt es oft mehr als hundert Minutien. Früher mussten sich Daktyloskopen damit abmühen, jeden einzelnen Fingerabdruck – etwa bei der Erfassung vorbestrafter Krimineller – auf seine Muster und Minutien hin zu prüfen, die Informationen auf Karteikarten zu übertragen und anschließend zu archivieren.

Heute haben größtenteils Computer diese Aufgabe übernommen. Die meisten Staaten Europas haben ihre Polizeien mit einem „Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystem“ ausgestattet. Es erkennt die Minutien jedes Fingerabdrucks selbstständig und speichert sie elektronisch. Dabei entstehen riesige nationale Datenbanken, die viele Millionen Fingerabdrücke erfassen.

Dennoch brauchen die Computer nicht lange, um die Datenbank auf einen bestimmten Abdruck zu durchsuchen. Nach Angaben der Bundeskriminalamts liegt eine solche Recherche im einstelligen Minutenbereich. Wurden von einer Person mehrere Fingerabdrücke sichergestellt, dauert die Suche dem BKA zufolge nur wenige Sekunden, falls der Verdächtige bereits erfasst ist.

Längst wird die Fingerabdruck-Erkennung auch in der Sicherheitstechnik eingesetzt. Es gibt heute eine Vielzahl von Fingerabdruck-Sensoren. Sie lassen sich etwa einsetzen, um Türen nur für bestimmte Personen zu öffnen oder um den Zugriff auf wichtige Computer nur ausgewählten Nutzern zu gewähren.

„Die drei wichtigsten Sorten von Fingerabdruck-Sensoren funktionieren optisch, elektrisch und mit Wärme“, sagt Jörn Kranigk, Geschäftsführer der Bonner Firma „Bergdata Biometrics GmbH“, die Hard- und Software für Fingerabdruck-Erkennung entwickelt. Bei optischen Systemen berührt der Nutzer eine Messfläche; sein Finger wird von unten angeleuchtet und eine Kamera fotografiert das Rillenmuster auf der Haut.

Die Aufnahme wird per Computer analysiert, der die Minutien in dem Fingerabdruck erkennt und als Messtabelle speichert. Das System vergleicht diese Tabelle anschließend mit den Daten aller zugelassenen Personen und entscheidet, ob der Nutzer zu ihnen gehört oder nicht. „Zwei Fingerabdrücke gelten dann als gleichen Ursprungs, wenn sie in einer bestimmten Mindestzahl von Minutien übereinstimmen“, erläutert Kranigk, „bei Gerichtsprozessen liegt die Zahl üblicherweise bei 16.“

Bei Wärme-Systemen zieht der Nutzer den Finger über eine schmale, erwärmte Sensorleiste. Dort, wo die Haut den Sensor berührt – also an den Papillarlinien –, wird mehr Wärme abgeleitet als dort, wo kein Kontakt zwischen Haut und Sensor besteht (also in den Rillen zwischen den Papillarlinien). Der Sensor misst also einen Querschnitt des Rillenmusters auf der Fingerkuppe. Zieht der Nutzer seine komplette Fingerkuppe über die Leiste, erhält das System viele Querschnitte, die es zum kompletten Abdruck zusammensetzt. Dieser wird dann von einem Computerprogramm analysiert und mit anderen Abdrücken verglichen.

Elektrische Systeme schließlich erhalten ein Abbild des Fingerabdrucks, indem sie die Feuchteverteilung auf der Fingerkuppe messen. Dazu berührt der Nutzer ein Messfeld von elektrischen Kondensatoren. Dort, wo die Papillarlinien sind, besteht enger Kontakt zwischen der (feuchten) Haut und den Kondensatoren – in den Rillen dazwischen aber nicht. Die Kondensatoren liefern so unterschiedliche Messsignale; alle Signale zusammen ergeben das Rillenmuster auf der Fingerkuppe.

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