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Gesundheit: Virtuelle Spezialisten: Ein Netz voller Agenten

Erst waren es nur einige tausend Knoten, dann ein engmaschiges Geflecht. Mittlerweile ist das Internet ein dichter Filz.

Erst waren es nur einige tausend Knoten, dann ein engmaschiges Geflecht. Mittlerweile ist das Internet ein dichter Filz. Um ihn nach Informationen, Angeboten und potenziellen Geschäftspartnern zu durchkämmen, reichen große Suchmaschinen wie Yahoo oder AltaVista längst nicht mehr aus. Deshalb wandelt sich der Filz zum Biotop, in dem unabhängige, selbstständige Agenten agieren. Sie sind in der Lage, blitzschnell den Preis von Kaffee oder die günstigste Lebensversicherung abzurufen.

"Unter einem Agenten versteht man einen kleinen, intelligenten Softwarebaustein, der mit anderen Bausteinen sprechen kann", erklärt Hermann Krallmann, der von seinem Professorenstuhl an der Technischen Universität über ein ganzes Heer von Agenten im Internet gebietet. "Ihre Sprache besteht aus Vorgaben für den Datenaustausch zwischen den Agenten."

Das persönliche Warenhaus

Ende der achtziger Jahre waren die Erforscher der künstlichen Intelligenz (KI) noch davon ausgegangen, dass große Softwareprogramme aus einem Guss die Möglichkeiten des Netzes der Netze ausschöpfen könnten. Mittlerweile hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt: Ein vielfach verteiltes Netz lässt sich leichter durch vielfach verteilte kleine Agenten ausnutzen. Auf die Anfrage des Kunden am Bildschirm hin setzen sie sich "in Bewegung", besorgen die gesuchte Information oder stellen die gewünschten Kontakte her. "Jeder Agent ist ein Spezialist. So kann ein Agent für Telekommunikationsaktien über das Netz die Anfrage absetzen, wo sie am günstigsten zu kaufen sind", erzählt Krallmann. "Aus den Antworten sucht er dann die für den Nutzer interessanten Optionen aus."

Krallmanns Tüftler realisierten ePOB, den persönlichen Online-Berater von Karstadt. Rund 10 000 Interessenten besuchen täglich die Internetseite von "my-world", dem elektronischen Kaufhaus des Handelsriesen. Durch die Allianz mit Quelle öffnen sich völlig neue Wege, denn die Kunden des Versandhandels sind relativ gut bekannt. Aus den bestellten Titeln und Produkten kann ein Agent Schlussfolgerungen über ihre Persönlichkeit ziehen, etwa Alter, Hobbies, Geschlecht, persönliche Vorlieben. Gemeinsam mit den Bankdaten aus dem elektronischen Handel "my-world" von Karstadt lassen sich diese Informationen zu einem Kundenprofil verbinden, an dessen Ende das persönliche Warenhaus stehen könnte. "Das erspart dem Kunden viele lästige Angebote, die ihn überhaupt nicht interessieren", erläutert Krallmann. Auch aus dem Klickverhalten von anonymen Kunden könnte der Agent analysieren, welche Produkte für den Nutzer in Frage kämen.

Agent 007

Doch nicht nur beim elektronischen Handel sind "die Agenten Ihrer Majestät des Kunden" auf dem Vormarsch. In den großen Automobilwerken von Volkswagen oder Mercedes steuern sie mittlerweile die Produktion der Teile. Jede Maschine hat ihren eigenen Sprecheragenten, jedes Werkstück auch. Auf die Anfrage: Wer kann mich fräsen? melden sich die freien Werkbänke über ihre Sprecher beim zentralen Steuercomputer der Werkhalle. Dort sitzt ein übergeordneter Brokeragent, der darauf achtet, dass nicht zu lange Wartezeiten oder Transportwege entstehen.

Und wie ist es mit einem Agenten 007 im Netz, der auf Computerviren angesetzt wird? "Das ist theoretisch überhaupt kein Problem", meint Krallmann. "Auch lassen sich andere Computer mit solchen Agenten ausspähen." In nicht allzu ferner Zeit könnte also jeder Computer einen eigenen Sicherheitsagenten besitzen, mit einer kleinen Polizei wie ein Immunsystem. Angesichts der rasanten Entwicklung bräuchte dieser Sicherheitsagent aber regelmäßig eine Weiterbildung, sprich: ein Update. Beinahe wie im richtigen Leben.

Heiko Schwarzburger

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