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Gesundheit: Was ich an der Uni hasse (Kommentar)

Heißblütige Liebeserklärungen an die Uni hört man fast nie. Schließlich ist sie ja auch nicht mehr jungfräulich und unbescholten, sondern als Alma mater eine gestandene Maitresse, "mit viel Holz (besser: Stahlbeton) vor der Hütten".

Heißblütige Liebeserklärungen an die Uni hört man fast nie. Schließlich ist sie ja auch nicht mehr jungfräulich und unbescholten, sondern als Alma mater eine gestandene Maitresse, "mit viel Holz (besser: Stahlbeton) vor der Hütten". Vor allem aber machen allerlei Obsessionen und Machtgelüste die alte Dame zu einem Jahrmarkt der Eitelkeiten. In ihren chaotischen Eingeweiden aus Gängen, Sälen und Warteschlangen davor verkommt jeder zum gehässigen Nörgler.

Die Uni ist eine garstige Behörde, die Studierende zu Bittstellern und Störenfrieden erniedrigt, indem sie sie auf die Jagd schickt nach Immatrikulationsbescheinigungen, Prüfungsterminen, Sprechstunden, Gutachten, Stipendien, Fördermitteln. Die Vorstellung der Uni als idyllisches Dorf oder lauschige Abtei ist so gefühlsduselig wie der Wunsch des Studenten, auf Du mit den Professoren zu sein.

In Wirklichkeit nagen die Kommilitonen an den Brocken, die die Professorenschaft ihnen zuwirft. Allerdings geht es den Professoren nicht viel besser, selbst wenn sie es nicht zugeben. Das Gebot "wissenschaftlicher Anschlussfähigkeit" verlangt von ihnen meistens, nach den Zutaten zu greifen, die die Kollegen und Konkurrenten ihnen reichen. Die Uni ist ein Wissen wiederkäuendes Ungetüm mit dem Ziel der Wiederholung und Verwaltung von Wissen, der Produktion von Absolventen.

Prüfungen zeigen, was es mit der Wissenschaftlichkeit der Universität auf sich hat. Der Prüfer will keine Diskussion, sondern nur eine Nummer von der Liste streichen. So verkommt eine Prüfung zum reinsten Glücksspiel. In wenigen Minuten sind Shakespeare, Goethe oder Rilke auf irgendwelche Sinnfetzen und Fakten hin zu sezieren. Trifft der Prüfling ins Schwarze, erwärmt sich das Herz des Professors. Kommt der Prüfling auf Abwege, fühlt der Prüfer sich höchstpersönlich auf den Fuß getreten.

Und doch: Es gibt auch Momente, wo man der Uni eine Liebeserklärung machen und sie ganz fest umarmen möchte. Nämlich dann, wenn man merkt, wie wunderbar es ist, sich etwa von Walthers von der Vogelweide Liedern und Trällereien umgarnen zu lassen, während tausende Mitbürger als postmoderne Bürosklaven malochen. Wundersam ist es und der pure Luxus, den man auskosten muss, bevor andere Zeiten anbrechen. Die Uni ist genau da ein Liebesnest, wo das Studium zum Selbstzweck gerinnt und man allem Haschen nach Wind noch einen Sinn abgewinnen kann.Weitere Tipps rund um den studentischen Alltag gibt es im Tagesspiegel immer dienstags, donnerstags und sonnabends auf den Campus-Seiten. Mittwochs und freitags erscheinen die Seiten Bildung und Wissenschaft mit Nachrichten aus der Hochschulpolitik.

Tanja Cummings

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