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Gesundheit: Wer unterrichtet die Islamlehrer?

Seit über zwei Jahren liegt das Konzept für den ersten Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik in Deutschland in der Schublade. Sogar die Drittmittel waren gesichert: Die bekannte Orientalistin Annemarie Schimmel hatte einen Sponsor aus der Wirtschaft gefunden - der wollte der Bonner Universität mehrere Millionen Mark für diesen Lehrstuhl zur Verfügung stellen.

Seit über zwei Jahren liegt das Konzept für den ersten Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik in Deutschland in der Schublade. Sogar die Drittmittel waren gesichert: Die bekannte Orientalistin Annemarie Schimmel hatte einen Sponsor aus der Wirtschaft gefunden - der wollte der Bonner Universität mehrere Millionen Mark für diesen Lehrstuhl zur Verfügung stellen. Dessen Inhaber hätte allerdings eine ganz besondere Persönlichkeit sein müssen: ein Wissenschaftler, der mit Kollegen verschiedener Fachrichtungen kooperieren will und kann, gleichwohl ein bekennender Muslim deutscher Zunge und am besten deutscher Ausbildung. Die Studierenden: glä ubige junge Migranten und Migrantinnen, die den Zwiespalt der zweiten und dritten Generation zwischen Herkunftskultur und deutscher Wirklichkeit selbst erleben.

Das Konzept für die Professur war abgestimmt mit akademischen Gremien und maßgeblichen Verbänden - es ist nach wie vor hochaktuell. Dann aber kam die Absage des Landesministeriums. Es "ist zu bedenken, dass die Muslime keinen einheitlichen Verband haben und nicht die Stellung der christlichen Kirchen besitzen. Auch sind die religiösen Auffassungen der muslimischen Gruppen außerordentlich differenziert. Es wäre verfrüht, die islamische Religionslehre an einer Hochschule einzuführen", heißt es in einem Brief der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin, Gabriele Behler (SPD). Das war 1999. Stattdessen schlug sie eine Stiftungsprofessur für islamische Religionswissenschaft vor. Universität und Sponsor lehnten das ab: Islamwissenschaftler gibt es schließlich genug. Es fehlen die Religionslehrer für muslimische Kinder.

Die Landesregierung befürwortet allerdings einen flächendeckenden Islamunterricht, sagt in diesem Jahr eine Pressereferentin des Schulministeriums. Und nun das Aber: Sie braucht eine Religionsgemeinschaft, die den Unterricht mit trägt. Der Islam hat keine Kirche und somit keine "erkennbare Struktur". Anfang November 2001 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage des Zentralrats der Muslime und des Islamrats gegen das Ministerium zurückgewiesen. Die Begründung: sie würden nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland vertreten.

Je nach Bundesland wird der Islamunterricht derzeit von den diplomatischen Vertretungen der Türkei und Marokkos, von einer islamischen Organisation wie in Berlin oder vom deutschen Staat verantwortet. Daneben existieren einige tausend Koranschulen - allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 450 -in denen die Kinder den Koran auf Arabisch rezitieren lernen.

Fürs erste beteiligen sich im bevölkerungsreichsten Bundesland 24 Schulen an dem zeitlich unbegrenzten Pilotprojekt: der Einführung der Islamkunde als ordentliches Schulfach. Der Unterricht soll vormittags stattfinden, er wird benotet, die Unterrichtssprache ist Deutsch. Es unterrichten Einwanderer, die ihre Lehrerdiplome in der Heimat erworben und eine Weiterbildung vom pädagogischen Landesinstitut in Soest bekommen haben. Sie stehen im Dienst der Landesregierung und haben auf die Verfassung geschworen, sagt Vielhaber.

Dass ein Lehrstuhl errichtet werden muss, das sieht auch die Behörde ein, aber wann und wo sie noch ungewiss. Bei der Islamkunde handelt es sich allerdings um die Übermittlung faktischen Wissens über den Islam, aber um kein Verkünden des Glaubens. Den Bonnern geht es dagegen, wie die Professoren Michael Mayer-Blanck und Wolfram Kinzig von der Evangelisch- Theologischen Fakultät erklären, um einen konfessionellen Unterricht im Sinne des Artikels 7.3. des Grundgesetzes, nach dem vertrauten Konzept der christlichen Kirchen.

Der künftige Universitäts-Studiengang "Islamische Religionslehre für das Lehramt an den Sekundarstufen I und II" soll analog den Studiengängen, die in evangelischer Theologie und evangelischer Religionslehre geboten werden, Fachwissen zum Islam, arabische Sprache sowie pädagogische Anteile beinhalten und mit anderen Schulfächern kombiniert werden. Islam- und Erziehungswissenschaftler, evangelische und katholische Theologen haben gemeinsam das Curriculum erarbeitet. Dem hatten der Zentralrat der Muslime und der Islamrat, die ihren Sitz in Bonn haben, sowie der Kölner Verband der Aleviten zugestimmt. Eine Akkreditierung bei der Al-Azhar-Universität in Kairo, der ältesten und angesehensten islamischen Universität der Welt, sollte dem Projekt noch mehr Autorität verleihen, sagte Rektor Klaus Borchard dem Bonner "General-Anzeigern".

Wohl wird es notwendig sein, mit zum Teil fundamentalistischen, aber mitgliedsstarken Organisationen wie Milli Görüs zusammenzuarbeiten. Aber wenn die Muslime endlich Mitspracherecht in punkto Religionsunterricht bekommen, "wären sie in gewisser Weise gezwungen, sich zu bestimmten verfasssungsrechtlichen Grundsätzen klar zu bekennen", meint Professor Kinzig.

Der öffentliche konfessionelle Unterricht wird zudem das Monopol der Koranschulen durchbrechen, und die Schüler würden sich trauen, mehr Fragen zu stellen. Davon erhofft sich der Religionspädagoge Meyer-Blanck auch einen Modernisierungsimpuls für die Imane. Einen anderen Weg will die Universität Osnabrück gehen, die ein Projekt zur gemeinsamen Religionslehrerausbildung mit drei Hochschulen in der Türkei vorbereitet. Türkische Bachelor- Absolventen sollen ihr Studium bis zum Master-Abschluss in Osnabrück fortsetzen und anschließend in Deutschland arbeiten.

Eine Art Green Card-Lösung? Zweisprachigkeit und eine profunde Kenntnis der deutschen wie der tü rkischen Lebensweise sind so gewährleistet, meint Professor Peter Graf vom Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien, der unter anderem an Jugendliche aus Rückkehrerfamilien denkt. Immerhin stellen die türkischen Sunniten die Mehrheit unter den Muslimen in Deutschland.

Während die staatlichen Hochschulen noch am Planen und Überlegen sind, hat sich in Frankfurt am Main ein Islamologisches Institut e.V. gegründet. Es bietet deutschsprachigen Muslimen unter anderem in Berlin Aus- und Weiterbildung im Schnellverfahren: In Intensiv-Kursen sollen Erzieher, Religionslehrer sowie Krankenhaus- und Gefängnisseelsorger vorbereitet werden.

Matilda Jordonova-Duda

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