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Gesundheit: Werkzeuge der Mikrotechnik: Feinste Spitzen statt grober Spritzen

Unter dem Mikroskop betrachtet, liegt ein Haar wie ein Koloss auf den winzigen elektronischen Bauteilen eines Speicherchips - und die Miniaturisierung geht weiter. Denn wer hätte schon gerne einen schrankgroßen Computer?

Unter dem Mikroskop betrachtet, liegt ein Haar wie ein Koloss auf den winzigen elektronischen Bauteilen eines Speicherchips - und die Miniaturisierung geht weiter. Denn wer hätte schon gerne einen schrankgroßen Computer? Aber es geht auch um Zeitgewinn: Je kürzer der Weg der Signale, desto schneller das Programm. Wie schwer es aber geworden ist, elektronische Strukturen in dieser winzigen Welt anzulegen, das erläuterte Rainer Kassing vom Institut für Mikrostrukturtechnologie der Gesamthochschule Kassel jüngst im Magnus-Haus in Berlin.

Man braucht Schablonen, um das Trägermaterial bearbeiten zu können. Und die Herstellung einer solchen Schablone ist sehr kompliziert. "Es sind viele Versuche notwendig, und nur etwa jede Zehnte ist zu gebrauchen", sagte Kassing. Kein Wunder, dass die Fertigung solcher Schablonen auch außerordentlich teuer ist. Doch mit einer kleinen Reparaturdüse ist es den Kasselern jetzt gelungen defekte Schablonen auszubessern, und zwar mit einem umgebauten Rasterkraftmikroskop.

Solche Geräte gibt es schon seit einigen Jahren. Forscher untersuchen und bearbeiten damit Oberflächen unterschiedlichster Materialien. Sie werden so fein abgetastet, dass man sogar ein Bild einzelner Atome oder Moleküle erzeugen kann.

Dünner Finger

Der Tastfinger des Geräts ist auch nur so lang, wie ein Haar breit ist. Seine Fingerkuppe besteht aus einem noch kleineren Kegel, der sich möglichst auf ein einziges Atom zuspitzt. Nähert sich die Fingerkuppe dem Material, dann üben die jeweiligen Elektronen und Atomkerne Kräfte aufeinander aus. Das reicht aus, den Finger zu verbiegen - die Krümmung wird ermittelt, aus abgetasteten "Bergen" und "Tälern" entsteht das Bild der Oberfläche.

Doch das Rasterkraftmikroskop kann nicht nur in den Mikrokosmos blicken, es kann ihn auch verändern. Feinste Linien und Löcher ritzt es in Materialien. Dabei blieb es nicht. Die Kasseler Wissenschaftler durchbohrten selbst diese winzige Abtastkonstruktion und können nun durch das feinste Röhrchen im Inneren Reparatursubstanzen leiten - Schablonenschrott ist selten geworden.

Pendelbewegung

Ein wichtiger Zweig der Miniaturtechnik ist die Entwicklung von Sensoren. Darauf hat sich die Gesamthochschule Kassel spezialisiert. Eines ihrer vielen angemeldeten Patente ist ein hochpräziser chemischer Sensor.

Auf dem Tastfinger eines Rasterkraftmikroskops ist eine Substanz aufgebracht, die bestimmte Verbindungen anzieht. Versetzt man diesen Finger in Schwingung, so pendelt er in typischen, sehr exakt messbaren Zeitskalen auf und ab. Fällt ein Molekül auf den Finger, wird er schwerer und schwingt langsamer. Die Apparatur wirkt also wie ein Sensor für eine bestimmte Molekülsorte.

Rainer Kassing erhofft sich, dass eine Kette solcher Sensoren in Zukunft eine feine elektronische Nase bilden könnte. "Es wäre dann möglich, sehr genau zu messen, ob zum Beispiel Gift- oder Schadstoffe in der Luft sind", sagte er.

Am Ende seines Vortrags versprach der Redner sogar, den Menschen die Angst vor der Spritze beim Arzt zu nehmen. Denn statt einer großen stechenden Nadel könnte in Zukunft ein Pflaster mit vielen mikroskopischen Spitzen seine impfende Wirkung entfalten. Es leben die kleinen Dinge dieser Welt!

Swantje Meier

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