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Gesundheit: Widerstand gegen das W

Neue Professoren-Besoldung: Kaum ist das Leistungsprinzip eingeführt, wird es in Frage gestellt

Post von der Universität Hannover. Es ist ein Glückwunschschreiben an einen Wissenschaftler, der einen Ruf erhalten hat. Die Universität lädt ihn zu Berufungsverhandlungen ein. Es wird um die Ausstattung der Professur gehen, um die Zahl der Mitarbeiter, die die Uni ihm stellt – ein altbekanntes Ritual. Doch am Ende des Schreibens stutzt der neuberufene Hochschullehrer: „Teilen Sie bitte mit, wie Ihre Gehaltsvorstellungen sind.“

„Gerechte Bezahlung“

Gehaltsvorstellungen – ist das nicht ein Begriff aus der freien Wirtschaft? Nicht mehr lange. Ab Januar 2005 werden bundesweit alle neuberufenen Professoren nach einem neuen Besoldungsgesetz bezahlt – und nach dem Leistungsprinzip. An die Stelle des bisherigen Altersaufstiegs in der C-Besoldung treten Leistungskriterien wie Drittmittel-Stärke oder Publikationen. Zulagen zu ihrem Grundgehalt, das 20 Prozent unter den bisherigen Bezügen liegt, müssen sich die Professoren erarbeiten.

Für Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) ist die „gerechte Bezahlung nach Leistung“ ein wichtiger Schritt, um Deutschlands Hochschulen im internationalen Wettbewerb um Spitzenwissenschaftler fit zu machen. Vor zwei Jahren passierte das Gesetz den Bundestag – seitdem arbeiten die Bundesländer daran, es umzusetzen.

Niedersachsen ist das erste Bundesland, das die W-Besoldung – W steht für Wissenschaft – bereits ein Jahr vor dem Stichtag eingeführt hat. In Rheinland-Pfalz werden ab 1. Juli alle neuberufenen Professoren nach dem neuen Gesetz besoldet – gegen den Widerstand des Deutschen Hochschulverbands, in dem knapp 20 000 Professoren und Nachwuchswissenschaftler organisiert sind. Mehr Effizienz? Internationaler Wettbewerb? Die Lobby der Professoren hat andere Sorgen. Der Verband errechnete für Durchschnittsverdiener drohende Verluste von rund 87 000 Euro an Lebenseinkommen. Statt die individuelle wissenschaftliche Leistung tatsächlich zu honorieren, würden die Gehälter flächendeckend gekürzt, kritisierte der damalige Verbandspräsident Hartmut Schiedermair schon 2001.

In Niedersachsen verlaufe die Einführung der W-Besoldung tatsächlich nicht reibungslos, sagt heute Günter Scholz, Vizepräsident der Universität Hannover. Das Thema habe bei den Berufungsverhandlungen eine große Rolle gespielt. Die zehn bislang Neuberufenen hätten sich schwer getan, das neue Besoldungsprinzip überhaupt zu akzeptieren und zu verstehen – und dann versucht, die drohenden Gehaltseinbußen abzuwenden.

Schlupfloch entdeckt

Das Prinzip ist schnell erklärt – denn es beruht auf Vereinfachung: Die vielstufig gegliederte C-Besoldung wird durch die dreistufige W-Besoldung abgelöst (siehe Grafik und Kasten). Der Haken: Mindestens drei Jahre lang soll es beim niedrigeren Grundgehalt bleiben. Erst nach dieser Frist werden die Hochschullehrer aufgefordert, ihre Leistungen nachzuweisen. Was zählt, sind Erfolge in der Forschung, Patente, Drittmitteleinwerbungen, Publikationen, Herausgaben, positiv bewertete Lehre oder auch Wissenschaftspreise. Finanziert werden die Leistungszulagen aus einem Pool, in den die gegenüber den C-Gehältern eingesparten 20 Prozent fließen. Daraus sollen allerdings auch die Berufungs- und auch Bleibezulagen bezahlt werden, die ab 2005 alle Professoren fordern können – Stichwort Gehaltsvorstellungen.

Dieses Schlupfloch hätten die nach W-Berufenen schnell erkannt, sagt Vizepräsident Scholz. „Dass W zunächst ,weniger’ bedeutet, wollte niemand wahrhaben.“ Also verlangten sie in den Berufungsverhandlungen Gehälter, die der bisherigen C 3 oder C 4-Vergütung entsprachen – mit Erfolg, wie der Vizepräsident zugibt. Er hätte nachgeben müssen, „um die Besten auch zu bekommen“. Andernfalls wären sie in Bundesländer gegangen, in denen sie auf Lebenszeit nach dem alten Recht bezahlt werden. Denn ab Januar 2005 gilt die W-Besoldung lediglich für die Neuberufenen. Die übrigen Professoren können sich aussuchen, ob sie dann wechseln.

Wenn die Bedingungen bundesweit gleich sind, werden sich die Grundgehälter besser durchsetzen lassen. Aber ein Problem bleibt: Die Pools für die Leistungszulagen sind gedeckelt, nicht aber die Höhe der individuellen Zulagen. Wenn also ein sehr leistungsstarker Professor teuer ist, muss ein anderer billiger werden. „Und das ist der wunde Punkt“, sagt Kristijan Domiter, Sprecher des Deutschen Hochschulverbandes. Der Vizepräsident der Uni Hannover fürchtet, dass der Pool durch die Berufungs- und Bleibeverhandlungszuschläge auch weiterhin abgeschöpft wird – und für die eigentlichen Leistungszulagen kaum Geld übrig bleibt. Dann ließen sich die Professoren womöglich nicht motivieren, sie überhaupt zu beantragen. Und darunter würde der vom Bund gewollte Wettbewerb um Höchstleistungen in Forschung und Lehre leiden.

Ist die W-Besoldung also schon fehlgeschlagen, bevor sie überhaupt flächendeckend gilt? Keineswegs. „Bei uns ist es Common Sense, dass Leistungsbezüge gut und motivierend sind“, sagt der Leiter der Abteilung Personal und Recht bei der MaxPlanck-Gesellschaft (MPG), Rüdiger Willems. Die MPG hat die W-Besoldung vor vier Monaten als erste außeruniversitäre Einrichtung eingeführt. Dadurch könne die Forschungsorganisation nun „herausragenden Wissenschaftlern aus dem Ausland oder aus der Industrie konkurrenzfähige Gehälter anbieten“, erklärt die MPG erfreut. Anders als an den Universitäten seien viele Wissenschaftler zum freiwilligen Abschied aus der C-Besoldung bereit, sagt Rüdiger Willems. „Man rechnet sich vorher aus, wo man bei W landet – und wenn man sich einen Vorteil erhofft, wechselt man.“

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