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Gesundheit: Wird die Habilitation abgeschafft?

Am kommenden Dienstag entscheidet Karlsruhe über künftige Uni-Karrieren in Deutschland

Am kommenden Dienstag werden die Richterinnen und Richter in Karlsruhe ihr Urteil zur Habilitation sprechen. Viel Aufmerksamkeit ist ihnen sicher. Der wissenschaftliche Nachwuchs wird erfahren, ob die Habilitation auf dem Weg zur Professur in Zukunft überflüssig wird. Auch könnte die Entscheidung so ausfallen, dass aus ihr bereits ein noch ausstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts ablesbar wird: zu der Frage, ob der Bund Studiengebühren verbieten darf, über die ebenfalls noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Und schließlich schalten sich die Richter in die aktuellen schweren Verteilungskämpfe zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik ein – was die Position der einen oder der anderen Seite stärken wird.

Worum geht es? Edelgard Bulmahn will die Habilitation abschaffen. Um Professor zu werden, soll der Nachwuchs sich stattdessen auf einer „Juniorprofessur“ bewähren. Der ersten Ankündigung der Bundesbildungsministerin antwortete vor zwei Jahren ein Sturm der Entrüstung. Die konservativen Fakultätentage und die Interessenvertretung der Professoren, der Hochschulverband, prophezeiten der deutschen Forschung einen rapiden Verlust an Qualität. Aber auch viele Nachwuchswissenschaftler wehrten sich gegen die Abschaffung der Habilitation: Eine ganze Generation werde „verschrottet“, sollte man die neuen „Turboprofessoren“ in Zukunft den habilitierten Privatdozenten bei der Berufung bevorzugen. Trotzdem wurde der Plan Gesetz. Darin sehen drei unionsgeführte Länder – Bayern, Sachsen und Thüringen – einen Eingriff in die Kulturhoheit der Länder und in die Autonomie der Hochschulen und sind vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Man will sich die Habilitation nicht verbieten lassen.

Aus Sicht des Bundes bremst die Habilitation den Nachwuchs. Sie binde die Kräfte der Wissenschaftler in ihrer kreativsten Phase jahrelang an eine einzige Aufgabe, sei international nicht kompatibel und kette die Forscher noch im Alter von im Schnitt 41 Jahren an ihren Professor. Dagegen sollen die neuen „Juniorprofessuren“ so funktionieren wie die „echten“ Lehrstühle der Lebenszeitprofessoren: Die Nachwuchsforscher sind nicht einem Professor, sondern dem Fachbereich zugeordnet, forschen selbstständig mit eigenen Mitarbeitern.

Doch von der Habilitation wollen sich viele nicht trennen. Gerade deshalb will Bulmahn die Habilitation ausschließen: neben ihr scheint kein Gras zu wachsen. So ließen die konservativen Professoren in den siebziger Jahren die nicht habilitierten „Assistenzprofessoren“ in den Berufungskommissionen einfach auflaufen.

Inzwischen arbeiten etwa 450 Juniorprofessoren an deutschen Universitäten. Das Bundesbildungsministerium, das jede Stelle zunächst noch mit 75000 Euro, jetzt mit 60000 Euro bezuschusst, hat nach eigenen Angaben fast 1000 Stellen bewilligt. Ursprünglich waren 6000 geplant – davon ist nicht mehr die Rede.

Als die Junge Akademie vor einem Jahr einen Bericht zur Lage von 160 Juniorprofessoren an deutschen Hochschulen veröffentlichte, kam sie zu einem ernüchternden Ergebnis. Die Juniorprofessur hält nicht, was sich die Regierung von ihr verspricht – jedenfalls noch nicht. Die meisten Juniorprofessoren scheinen sich zusätzlich habilitieren zu wollen. Außerdem waren die Juniorprofessoren im Schnitt bei ihrer Einstellung 34 Jahre alt und werden deshalb bei ihrer Berufung so alt sein wie die Privatdozenten. Wenig zu sehen ist auch von der Ausstattung, die jeder Juniorprofessor dank des Sponserings des Bundes bekommen sollte. Das Geld scheint in vielen Unis zu versickern. Die Hauptschuld für die Mängel liege jedoch nicht beim Bund, so die Junge Akademie, sondern bei den Ländern, die das Gesetz besser umsetzen sollten.

Wie die Richter urteilen werden, ist offen. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass der zweite Senat uneins ist. Sollte er zu dem Schluss kommen, dass die Novelle der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte, wäre das quasi-Verbot der Habilitation hinfällig. Das gleiche Schicksal würde die 6. Novelle des Rahmengesetzes ereilen, in der der Bund Gebühren für das Erststudium verbietet: Die Länder könnten Gebühren verlangen.

Auch bei einem anderen Urteil könnten die Länder mit der Habilitation umgehen, wie sie wollen. Nämlich dann, wenn die Richter meinen, der Bund habe seine Grenzen überschritten. Manche Länder könnten die Habilitation dann als Voraussetzung für einen Ruf auf eine Lebenszeitprofessur vorschreiben, die anderen nur die Juniorprofessur gelten lassen. Beide Extreme sind unwahrscheinlich.

Schon jetzt zeigt sich, dass die meisten Länder offenbar weder eine radikale Abkehr von der Habilitation wünschen, noch die Juniorprofessur verhindern wollen. Selbst die klagenden Länder betonen, dass sie die Juniorprofessur keineswegs ablehnen, sondern sich nur gegen die Abschaffung der Habilitation wehren. Sachsen kündigt an, man werde „beides nebeneinander existieren lassen“.

Umgekehrt würden die SPD-geführten Länder die Habilitation wohl kaum verbieten. Das zeigt das Beispiel Rheinland-Pfalz. Anders, als Bulmahn es will, sieht das Hochschulgesetz des Landes die Habilitation weiterhin ausdrücklich vor – wenn auch nur als Ausnahme. Wie die Unis ihren Nachwuchs rekrutieren, sei deren „ureigenste Sache“, heißt es aus dem Ministerium. Solche Schlupflöcher dürften auch erhalten bleiben, sollte der Bund in Karlsruhe siegen und die Habilitation damit ausgehebelt werden.

Reinhold Grimm, der Vorsitzende des Fakultätentags, prophezeit eine friedliche Koexistenz von Juniorprofessur und Habilitation, in der die Habilitation „entrümpelt“ würde. Sie wäre keine Prüfung mehr, an ihrer Stelle gäbe es eine „zweite große Leistung“: ein Buch oder mehrere Aufsätze, letzteres käme sogar auch für die Geistes- und Sozialwissenschaften in Frage. Die Juniorprofessur wiederum müsse so gestaltet werden, „dass sie kein Ausbeutungsverhältnis darstellt“, sagt Grimm. Denn: „Wer es drauf anlegt, kann einen Juniorprofessor genauso ausbeuten wie einen Assistenten.“

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