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Gesundheit: Zu kleine Sprünge

Reformen reichen nicht: Schwächen unseres Bildungssystems im internationalen Vergleich

Trotz zahlreicher Reformen im Bildungswesen gelingt es Deutschland nicht, im internationalen Vergleich aufzuholen. „Es reicht nicht, ein Bildungssystem aus dem 19. Jahrhundert ein bisschen zu reformieren“, sagte Andreas Schleicher, Chefanalytiker im Direktorat Bildung der OECD, gestern bei der Vorstellung der Studie „Bildung auf einen Blick“ in Berlin. Um den Übergang in die Wissensgesellschaft zu schaffen, seien tiefgreifendere Reformen notwendig, als sie bislang angeschoben wurden. So sei Deutschland gerade bei der Ausbildung von Hochqualifizierten „weiter zurückgefallen“. Die Hochschulausbildung steht in diesem Jahr im Mittelpunkt des Bildungsberichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Wie zögerlich Deutschland bislang auf die Herausforderung der Wissensgesellschaft reagiert habe, zeige die Finanzausstattung für das Bildungssystem. Die Investitionen liegen mit 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich unter dem OECD-Mittel von 5,9 Prozent. Allerdings betonte Schleicher, dass das Bildungsangebot auch verbessert werden könne, „ohne notwendig mehr Geld zu investieren“. So könnten Bildungsgänge flexibler gestaltet werden – etwa beim Hochschulzugang.

Hochschulen

Die Zahl der Studienanfänger in Deutschland steigt: Studierten im Jahr 2000 nur 30 Prozent eines Altersjahrgangs, waren es 2004 – das Jahr, aus dem die meisten Daten der Studie stammen – schon 37 Prozent. Dieser Prozess vollzieht sich jedoch langsamer als in den meisten anderen OECD-Staaten. Als alarmierend sieht die OECD den Anteil von deutschen Hoch- und Fachhochschulabsolventen eines Altersjahrgangs. Zwar stieg er zwischen 2000 und 2004 von 19,3 auf 20,6 Prozent. Aber wieder gehört Deutschland zu den Ländern mit den geringsten Fortschritten. Die größten Sprünge machten die Schweiz, wo die Abschlussquote von 10,4 auf 25,9 Prozent stieg, und Italien (von 18,1 auf 36,8 Prozent). Im OECD-Durchschnitt haben 34,8 Prozent einen hochqualifizierten Abschluss.

Angesichts des demografischen Wandels werde Deutschland den steigenden Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften so nicht befriedigen können, warnte Schleicher. Durchweg positiv bewertet die OECD lediglich die Einführung der gestuften Studiengänge Bachelor und Master. Sie ermöglichten einen flexibleren Zugang zum Studium und würden dazu beitragen, die hohen Abbrecherquoten von bis zu 45 Prozent zu senken. Darüber hinaus empfiehlt die OECD Deutschland, die Bildungsangebote an Fachhochschulen und Universitäten vielfältiger zu gestalten und „fließende Übergange“ zwischen Berufsausbildung und Studium zu ermöglichen. Als einen wichtigen Bereich nannte Ute Erdsiek-Rave, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, den Ausbau von Studiengängen für Erziehungs- und Heilberufe.

Berufsausbildung

International konkurrenzfähig ist Deutschland bei den Abschlüssen des Sekundarbereichs II: 84 Prozent der 25- bis 34-Jährigen haben ein Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Dieser Wert wird nur von sieben OECD-Ländern signifikant übertroffen. Gleichzeitig seien diese Qualifikationen mittlerweile auch international weitgehend zur Norm geworden, sagte Schleicher. Das duale System der Berufsausbildung in Deutschland sei gut, „aber es ist ein Angebot für einen schrumpfenden Bereich“. Denn auf dem Arbeitsmarkt seien zunehmend Spitzenqualifikationen gefordert, dort stiegen das Arbeitsplatzangebot und die Gehälter schon jetzt ständig.

Weiterbildung

Zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland bildet sich beruflich weiter. Damit liegt die Bereitschaft, nach der ersten Ausbildung dazuzulernen, gerade noch im OECD-Mittel von 18 Prozent Beteiligung. Positiv zu Buche schlägt die im Schnitt längere Dauer von deutschen Weiterbildungsangeboten. Problematisch aber sei die mit drei Prozent zu geringe Weiterbildungsquote von Menschen ohne Berufsausbildung. In Dänemark sind es 22 Prozent. Schleicher forderte eine Weiterbildungsoffensive für gering Qualifizierte, aber auch für Ältere.

Schulen

Besonders in den unteren Klassen werde in Deutschland unterdurchschnittlich investiert, kritisierte Schleicher. Das Ganztagsschulprogramm, ein wichtiger Reformschritt, könnte dieses Defizit in den kommenden Jahren aber teilweise ausgleichen. Weitere Schritte seien jedoch notwendig: Geringen Ausgaben für die Ausstattung der Schulen stünden vergleichsweise hohe Lehrergehälter gegenüber. Hier schlägt die OECD vor, die Bezahlung der Pädagogen nach dem Vorbild anderer Staaten zu flexibilisieren: Nicht nur Alter, Familienstatus oder Leitungsfunktionen an der Schule sollten sich auf das Gehalt auswirken. Belohnt sollte auch werden, wer etwa Arbeitsgemeinschaften übernimmt, Lehramtsstudenten betreut oder dessen Schüler besonders gut abschneiden.

Mehr zur Studie im Internet:

www.oecd.org/edu/eag2006

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