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Gesundheit: Zwischen Fortschrittsoptimismus und Gewissenskonflikt

Von Hartmut Wewetzer Das Thema Gentechnik hat in den letzten Monaten die Gemüter erhitzt. Und obwohl sich viele Politiker seiner Bedeutung bewusst sind, wird es bei der Bundestagswahl voraussichtlich keine große Rolle spielen.

Von Hartmut Wewetzer

Das Thema Gentechnik hat in den letzten Monaten die Gemüter erhitzt. Und obwohl sich viele Politiker seiner Bedeutung bewusst sind, wird es bei der Bundestagswahl voraussichtlich keine große Rolle spielen. Es ist zu kompliziert, für den Wähler schwer zu durchschauen und eignet sich kaum für einfache Botschaften und Wahlslogans. Was aber haben Wirtschaft, Wissenschaft und Patienten in der nächsten Legislaturperiode von den Parteien zu erwarten, wenn es um die Biotechnik geht?

Ein Blick auf die Veröffentlichungen im Internet zeigt: Am gründlichsten scheint sich die Union mit der Gentechnik beschäftigt zu haben – nicht unbedingt zu deren Gunsten. Sie balanciert zwischen den Lagern. Man ist zwar offenkundig bestrebt, die Wirtschaft nicht zu verschrecken. Deshalb unterstreicht die CDU das ökonomische und medizinische Potenzial. Aber in ihren Veröffentlichungen gibt es mehr als nur ein paar skeptische Untertöne. Manchen Anhängern der Union scheint der Fortschritt nicht geheuer zu sein.

Das zeigt ein Papier der CDU-Wertekommission mit dem Titel „Die neue Aktualität des christlichen Menschenbildes“. Es tritt für eine restriktive Haltung vor allem in der Reproduktionsmedizin ein: voller Schutz des menschlichen Lebens nach Verschmelzung von Ei und Samenzelle; Ablehnung der Präimplantationsdiagnostik (Gen-Check vor Einpflanzung des Embryos in die Gebärmutter), Verbot der Herstellung embryonaler Stammzellen und des therapeutischen Klonens. Eher zurückhaltend ist auch der Tonfall eines „Gesamtkonzepts“ zur Bio- und Gentechnik des Bundesfachausschusses Forschung und Innovation.

Aber während die Union die Haltung der Bundesregierung zur medizinischen Gentechnik als zu lasch kritisiert und den SPD-Ministern „Dammbruch“ und „falsch verstandene Modernität“ vorwerfen – so Christoph Böhr, Vorsitzender der CDU-Wertekommission –, wird der Regierung bei der „grünen“ Pflanzen-Biotechnik vorgeworfen, den Fortschritt zu bremsen und eine „ideologische Verweigerungshaltung“ an den Tag zu legen.

Allerdings bleibt die CDU bei ihren Versprechungen für die grüne Gentechnik eher vage. Angekündigt wird ein „10-Jahres-Zukunfts-Programm“ für die Entwicklung der grünen Gentechnik. Das dürfte die Biotechniker eher aufstöhnen lassen, wird doch auf diese Weise die Vermarktung der Pflanzen-Biotechnik erneut um viele Jahre hinausgeschoben. Auf der anderen Seite lehnt die CDU Patente auf Tiere und Pflanzen ab, darin wieder ganz auf Seiten der Umweltaktivisten von Greenpeace.

Eher wortkarg kommt die SPD daher. Der Tonfall ist nüchtern und pragmatisch, dabei nicht unfreundlich. Im Regierungsprogramm für die nächste Legislaturperiode wird darauf hingewiesen, dass sich die Biotechnik in den letzten Jahren sehr gut entwickelt habe, die Zahl der Unternehmen seit 1998 um 25 Prozent gestiegen sei. Deutschland stehe in der Biotechnik an der Spitze: „Wir wollen die Arbeitsplätze in diesem Bereich in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln.“ Die Potenziale der grünen Gentechnik gelte es näher zu erforschen. Von tiefer gehenden Erörertungen – schließlich gibt es auch in der SPD Skeptiker und Kritiker der Gentechnik – dringt offenkundig wenig nach außen.

Nur ein paar wenige Zeilen widmet die FDP in ihrem immerhin 89 Seiten umfassenden Programm zur Bundestagswahl der Gentechnik („Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts“). Dabei ist sie allerdings tatsächlich liberaler in ihren Ankündigungen als die anderen Parteien. Denn sie plädiert dafür, dass Stammzellgesetz nachzubessern und die „restriktive Stichtagsregelung“ zu verändern.

Auch soll die Präimplantationsdiagnostik „in engen rechtlichen Grenzen“ ermöglicht werden. Auf der andereren Seite ist auch die FDP für den Tierschutz als Staatsziel – ein Vorhaben, das manchen Forschern Kopfschmerzen bereitet –, und sie ist gegen Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen: eine pauschale Formel, die der Realität nach Ansicht vieler Fachleute nicht wirklich gerecht wird.

„Die Zukunft ist grün“ verkündet das 190 Seiten starke Grundsatzprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen. Erwartungsgemäß kommt die Gentechnik bei den Grünen nicht besonders gut weg. Die Partei stellt die Risiken in den Vordergrund. Zu einem Bekenntnis für den medizinischen Fortschritt, wie er auch durch die Gentechnik gewährleistet wird, kann man sich nicht oder allenfalls mit vernehmlichem Zähneknirschen durchringen. Grüne Gentechnik, Präimplantationsdiagnostik und „verbrauchende“ Embryonenforschung werden abgelehnt, Gentests sollen von Versicherungen auf keinen Fall genutzt werden dürfen.

Auch die PDS steht der Gentechnik skeptisch bis ablehnend gegenüber, vor allem der Pflanzen-Biotechnik, aber auch etwa der Präimplantationsdiagnostik („Designermenschen will die PDS nicht“), wobei man sich bemüht, radikaler und konsequenter als die Grünen zu aufzutreten.

Das Argumentationsniveau bleibt dabei bescheiden. So warnt das PDS-Programm vor dem „therapeutischen Experimentieren mit Embryos“ – gemeint ist wohl die beim Menschen nicht erprobte und erwünschte Keimbahntherapie –, und stellt es in eine Reihe mit Forschungen zur Vorbereitung von Atombombe und Gaskammer.

Die deutsche Politik scheint also nicht in Gefahr zu sein, der (Gen-)Technik-Euphorie zu verfallen. Im Zweifel wird man sich aber dem Fortschritt nicht verschließen. Und wenn er in jenen Ländern erfolgt, in denen er nicht verboten ist.

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