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Panorama: „Getüncht, geklebt, getackert“

Dass sie die Natur mag, zeigt Sonya Kraus in der Show „Die Alm“. Echt ist sie trotzdem nicht

Es war logisch, dass die Macher der Sendung „Die Alm“ Sonya Kraus als Moderatorin wollten. Es gibt wahrscheinlich keine Frau im deutschen Fernsehen und schon gar nicht bei Pro Sieben, der ein Dirndl besser zu Gesicht steht als Sonya Kraus: lange, straff gebundene Zöpfe, ein loses Lächeln, Busen. Und das, obwohl sie vor dem Sendestart einer Nachrichtenagentur sagte, sie habe zum ersten Mal im zarten Alter von 18 Jahren eine leibhaftige Kuh gesehen! Und das, obwohl „Busen-Witwe“ Tajana Gsell angeblich wegen eines Schwächeanfalls ihre Teilnahme an der Reality Soap absagen musste! Die Vorzeichen waren denkbar ungünstig – trotzdem ist „Die Alm“ ein Erfolg. Allein vergangenen Freitag schalteten um 20 Uhr 15 Uhr 2,3 Millionen Menschen die Sendung ein. Darunter werden viele Männer gewesen sein.

Denn Sonya Kraus ist ganz sicher eine, die mit Männern besser klarkommt als mit Frauen. Man kann sie im Augenblick nicht auf der Alm, sondern in mehreren Sendungen sehen. Eine davon ist „talk, talk, talk“. Da werden Ausschnitte aus Nachmittags-Talkshows gezeigt und von Kraus kommentiert. Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Sonya Kraus wackelt in einem knappen, glänzenden Kleid vor den Kulissen umher und sagt etwas. Dann werden kurz therapie- und geldbedürftige, aschfahle Menschen in schlechter Kleidung eingeblendet, bevor sich Sonya Kraus mit Inbrunst und einer herben Ironie über diese Talkshowkandidaten des Grauens lustig macht. Ein Kontrast, der nicht größer sein könnte. Oder? Vielleicht berühren sich auch nur die Extreme. Das macht Angst.

Die andere Sendung ist eine echte Heimwerkersendung – „Do it yourself S.O.S“. Da beweist die 31-Jährige, dass sie Schlagbohrer und Kreissäge nicht nur bedienen kann, sondern damit auch sinnvolle Arbeiten in fremden Wohnungen durchführen kann. Dabei trägt sie meist funktionale Kleidung wie Jeans und T-Shirts, sieht aber natürlich mit ihrem praktischen Pferdeschwanz immer noch wahnsinnig sexy aus. Auf die Frage, wie sie den Spagat zwischen Tussi und Heimwerkerbraut schaffe, antwortete sie „Spiegel Online“ mit der gewagten These: „Frauen haben mehrere Persönlichkeitsfacetten.“ Im Übrigen gebe sie gerne offen zu, dass sie manchmal „falsche Wimpern, Haarteile, Kontaktlinsen, portable Tittchen und einen Bauch-weg-Gürtel“ benutze: „Ich sage den Frauen: Was ihr dort seht, ist nichts anderes als eine Illusion – getüncht, geklebt, getackert und aufgemotzt.“ Eine Heimwerkerin durch und durch eben. Manche sagen auch: der erste weibliche Transvestit.

Wie kommt man so weit? Geboren wurde Kraus am 22. Juni 1973 in Frankfurt am Main. Früh Ballettunterricht, dann mit 14 Jahren das Ende der Ballerinaträume: Fräulein Kraus war einfach zu groß. Nach dem Abitur arbeitete sie zwei Jahre als Model, bis sie als Buchstabenumdreherin bei „Glücksrad“ die direkte Nachfolge von Maren Gilzer antrat – einem Casting der „Bild“-Zeitung sei Dank. An der Seite des brünetten Moderators Alexander Mazza bekleidete sie später die Formate „Desert Forges – Stars an ihren Grenzen“ und „Clipmix“. Sie habe schon seit vielen Jahren einen Freund, sickerte vor kurzem durch. Allerdings lebe sie nicht mit ihm in einer Wohnung. Ihr Privatleben schützt der Star des Privatsenders offenbar sehr wirkungsvoll. Manchmal ist es so, als habe sie sich mit Glaswolle isoliert.

Daher bleibt Sonya Kraus eine Art Fata Morgana. Ein wahr gewordene Fantasie – und manchmal sogar ein Vorbild für Frauen. Angeblich brachen bei Pro Sieben die Telefonleitungen nach den ersten Folgen von „talk, talk, talk“ zusammen. Die Frauen wollten wissen, wo Kraus ihre Kleider kauft. Wahrscheinlich wollten das in Wirklichkeit ihre Männer wissen.

Sie ist das Allzweckwerkzeug eines Senders, dessen Publikum aus jungen Leuten besteht, die abgelenkt werden wollen. Seriös will Kraus nicht sein: „Seriös hört sich an wie scheintot. Ich stehe für Unterhaltung, und sicherlich habe ich den Einstieg ins Fernsehen durch mein Äußeres geschafft“, sagte sie „Spiegel Online“. Und: „Meine Stärken sind meine Teamfähigkeit, meine unkomplizierte Art und die Tatsache, dass ich ein fleißiges, emsiges und diszipliniertes Lieschen bin.“

Esther Kogelboom

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