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Gewissensfrage: Soll man Sozialbetrüger anzeigen?

Jeder kennt jemanden, der schwarz arbeitet oder arbeiten lässt, Hartz IV einstreicht, ohne bedürftig zu sein, oder Zuschüsse kassiert, ohne Anspruch darauf zu haben. Aber sollte man diese Bekannten auch anzeigen, um den Missbrauch abzustellen?

Frage: Bekannte anzeigen, die zu Unrecht Hartz IV beziehen. Tut man das?

HUBERTUS PELLENGAHR ANTWORTET:

"Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant." Die Worte von Hoffmann von Fallersleben haben Bestand, selbst wenn ich mich maßlos darüber ärgere, dass jemand, den ich kenne, zu Unrecht meine Steuern einsteckt. Aber Denunziantentum, angetrieben von Neid, Missgunst oder der Aussicht auf den eigenen Vorteil, steht einer Demokratie schlecht zu Gesicht. In der Konsequenz würden wir immer uniformer, verlogener und selbstverständlich unfreier. Die Grenzen sind ja fließend: heute der falsche Hartz-Empfänger, morgen der Falschparker, übermorgen derjenige, der eine braune Glasflasche in den Weißglasbehälter wirft. Tut man also nicht! Gerade als Steuerzahler aber erwarte ich, dass das Geld ordentlich verwendet und verwaltet wird. Dazu gehört, dass Missbrauchsanreize so gering und die Überprüfung, egal ob bei Hartz-IV- oder Subventionsanträgen, so streng wie möglich sind. Hier sind also die verteilenden Behörden gefragt. Was man sonst noch tut: sich einmischen. Die Meinung sagen.

"Das Gewissen ist eine Schwiegermutter, deren Besuch nie endet", lautet ein anderes Bonmot. Ins Gewissen zu reden ist fast schon eine staatsbürgerliche Pflicht. Ich also würde die mir bekannte Person ansprechen. Vielleicht lacht der mich dann aus, weil ich ein verlorener Gutmensch sei, der es nicht verstände, die Systeme anzuzapfen. Das müsste ich dann in meiner moralischen Überlegenheit weglächeln und ihn bei Gelegenheit daran erinnern, dass es nicht nur Bürgerrechte gibt, sondern eben auch Pflichten! Hoffmann von Fallersleben hatte beides verloren. Weil er in seiner demokratischen Gesinnung zu aufmüpfig (und mehrfach angezeigt) wurde, verwies ihn der preußische Staat zuerst seines professoralen Amtes und dann des ganzen Landes.

Hubertus Pellengahr ist seit Januar 2010 Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Berlin. Vorher galt er vielen als "Mr. Einzelhandel". Er war Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Einzelhandels und kommentierte monatlich die Umsatzzahlen. Sie gelten als einer der wichtigsten Hinweise darauf, ob die Verbraucher Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung haben oder nicht.

Quelle: www.das-tut-man-nicht.de

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