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GILF AL KEBIR: Der mysteriöse Kulturschatz in der Wüste

Jahrzehntelang hat die Region die Fantasie von Entdeckern beflügelt, heute zieht sie vor allem zahlungskräftige Wüsten-Enthusiasten an. Das Felsenplateau von Gilf al Kebir im südwestlichen Zipfel von Ägypten ist so groß wie die Schweiz und gehört zu den trockensten und am schwersten zugänglichen Regionen der Welt.

Jahrzehntelang hat die Region die Fantasie von Entdeckern beflügelt, heute zieht sie vor allem zahlungskräftige Wüsten-Enthusiasten an. Das Felsenplateau von Gilf al Kebir im südwestlichen Zipfel von Ägypten ist so groß wie die Schweiz und gehört zu den trockensten und am schwersten zugänglichen Regionen der Welt.

Die 400 Meter hohe Sandsteinformation erstreckt bis weit nach Libyen und den Sudan hinein. Ihr zerklüftetes Inneres ist voll von Wadis und Höhlen, ausgemalt mit sensationell gut erhaltenen prähistorischen Zeichnungen. Schwimmende und jagende Menschen, Giraffen, Gazellen und Büffel – die Künstler haben vor 10 000 Jahren an den Wänden eine Landschaft koloriert, wie sie sich heute in den subtropischen Savannen des südlichen Afrikas findet. Pflanzen, Gras und Bäume – ja sogar Seen hat es in dem Gebiet offenbar gegeben, das jetzt zu den unwirtlichsten des Planeten gehört. Abgesehen von wenigen Nomaden, Schmugglern und marodierenden Banditen, die jetzt die 19 Safaribesucher als Geiseln genommen haben, lebt hier kein Mensch mehr. Jahrhundertelang lag Gilf al Kebir außerhalb der Reichweite von Kamelkarawanen. Die erste Expedition per Auto erreichte die geheimnisvolle Gegend in den zwanziger Jahren. Der ungarische Graf Ladislaus E. Almásy, der die berühmte „Höhle der Schwimmer“ entdeckte, kam 1932 sogar per Kleinflugzeug. Sein 1934 erschienenes Buch „Unbekannte Sahara“ – später unter dem Titel „Schwimmer in der Wüste“ wiederaufgelegt – diente fast fünfzig Jahre später als Vorlage für den Roman und Film „Der englische Patient“ – ein Liebesdrama, in das auch die militärische Rolle der Region im Zweiten Weltkrieg eingewoben ist. Britische Eliteeinheiten der „Long Range Desert Group“ starteten von hier aus Operationen gegen italienische und deutsche Truppen im benachbarten Libyen.

Noch letztes Jahr entdeckten Reisende die persönlichen Habseligkeiten eines englischen Kradmelders. Die Briefe, die er bei sich trug, waren nach sechzig Jahren Wüstensand noch so gut lesbar, dass sich seine Schwester in England ausfindig machen ließ.

Aus dem Zweiten Weltkrieg stammen auch bis heute die besten Wüstenkarten. Bis vor wenigen Jahren war die Nachfrage so gering, dass man beim ägyptischen Landvermessungsamt in Giza die Originalblätter der ersten Auflage von 1942 kaufen konnte. Jetzt gibt es nur noch schlechte Nachdrucke, denn das Geschäft mit den abgelegenen Höhlen blüht. Über tausend Touristen buchen inzwischen jedes Jahr die zehntägigen Expeditionen mit klimatisierten und geländegängigen Fahrzeugen.

Ägypten hat mit dem abgelegenen Winkel noch Großes vor. Vor einiger Zeit erklärte Kairo Gilf al Kebir zum Nationalpark und hofft nun, dass Libyen und Sudan nachziehen. Dann wäre die Unesco bereit, das einzigartige Felsenensemble mit seinen prähistorischen Kulturschätzen ins Weltkulturerbe aufzunehmen. Martin Gehlen

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