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Panorama: Glückloser Prager Sommer

Die Stadt gerät zunehmend ins Visier der Mafia. Nach dem Anschlag auf den Casinobesitzer will die Regierung die Banden bekämpfen

Die Gegend rund um den Wenzelsplatz und die direkt angrenzende Altstadt gehört zu den belebtesten Ecken Prags. Gerade in den Sommermonaten treffen sich hier die Touristen, ein Straßencafé grenzt an das nächste. Schon allein deswegen ist diese Gegend auch ein Magnet für Kleinkriminelle – Trickbetrügereien und Taschendiebstähle gehört für die Polizeiwache am Rande des Wenzelsplatzes zum Alltag, doch die Beamten finden daran nichts außergewöhnliches: Für Touristen, so sagen sie, ist Prag genauso sicher oder eben unsicher wie andere europäische Hauptstädte auch.

Doch seit Sonntag vor einer Woche eine Handgranate vor dem Casino Royal detonierte und 18 Touristen, vor allem Amerikaner und Briten, verletzte, ist klar, dass Prag aus kriminalistischer Sicht ein größeres Problem hat als ein paar Handtaschenräuber. Prag hat zunehmend ein ernsthaftes Mafia-Problem, denn offenbar war die Goldene Stadt nach dem Ende des kommunistischen Systems nicht nur für so genannte High Potentials und ausländische Investoren ein Anziehungspunkt, sondern auch für international operierende Banden. Russische Mafiosi sitzen dem Vernehmen nach in Prag genauso fest im Sattel wie italienische und albanische Syndikate. Die beliebtesten Wirtschaftszweige: Drogenhandels, Glücksspiels und Prostitution. Gerade die beiden letzteren Geschäftsfelder florieren in ganz Tschechien besonders: Die laxe Gesetzgebung und die räumliche Nähe zu Deutschland und Österreich haben diese beiden Gewerbe in Tschechien zu einem boomenden Wirtschaftszweig, und damit auch für die organisierte Kriminalität interessant gemacht.

So gibt es im ganzen Land mittlerweile 230 Casinos. Das nur unwesentlich kleinere Österreich zum Beispiel hat gerade einmal 20 Casinos. Und auch der jüngste Anschlag spielte sich, wie die Ermittler nun bekannt gaben, in diesem Milieu ab. Die Handgranate detonierte nämlich unter dem weißen Jeep Cherokee des Besitzers des Casino Royal, dem israelischen Staatsbürger Assaf Abutbul, dessen Auto mit einem für Prag doch eher auffälligen Kennzeichen des US-Bundesstaats New Jersey versehen war.

Abutbul ist in der Szene kein unbekannter. Er wurde in der israelischen Stadt Netanya geboren, zu seiner Familie gehören wichtige Größen der israelischen Unterwelt. Neben dem Casino in Prag und Besitztümern in Las Vegas betreibt seine Familie auch mehrere Schiffscasinos vor der israelischen Küste, da dort im Land selbst Glücksspiel offiziell verboten ist. Dennoch tobt dort seit zwei Jahren unter rivalisierenden Clans ein blutiger Krieg um die Kontrolle des israelischen Glücksspiels – allein im Sommer des Vorjahres wurden in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem ein Dutzend ranghohe Mafiamitglieder erschossen. Im Kern bekriegen sich dabei zwei Clans: Das „Jerusalemer Netzwerk“ der Familie Abergil sowie die Gang des Mafiabosses Zeev Rosenstein, der in den vergangenen Monaten gleich vier Attentatsversuche überlebt hat. Zu seinem Netzwerk gehören auch die Abutbuls. Und auch diese Familie hatte im israelischen Mafiakrieg bereits einige Todesopfer zu beklagen – so wurde der Vater von Assaf Abutbul vor zwei Jahren von einem nach wie vor unbekannten Attentäter ebenfalls in Prag erschossen. Er hatte sich vor etwas mehr als fünf Jahren in die tschechische Hauptstadt zurückgezogen.

Für Tschechiens Kriminalisten stellt dieser neuerliche Anschlag im Mafia-Milieu nun ein gewaltiges Problem dar. Zwar wissen die Behörden schon seit Jahren über die Existenz der diversen Kartelle in ihrer Hauptstadt, bislang haben sie sich mit investigativen Ermittlungen aber eher zurück gehalten und die Mafia ihre Rivalitäten unter sich ausmachen lassen. Nun hat der neue Ministerpräsident Stanislav Gross der Mafia den Kampf angesagt. Als ehemaliger Innenminister weiß er offenbar, in welchem Ausmaß die diversen Banden die tschechische Szene bereits unter Kontrolle haben – zuletzt alarmierten mehrere Waffenfunde die Behörden. Vor kurzem stießen die Ermittler zum ersten Mal auf Panzer brechende Munition.

Markus Huber[Wien]

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