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Panorama: Grippe-Pandemie: Wer wird behandelt, wer nicht?

Die WHO berät ethische Fragen für den schlimmsten aller möglichen Fälle

Seit rund drei Jahren warnen die Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Eine global grassierende Grippe könnte Millionen von Menschen das Leben kosten. Der Erreger der Vogelgrippe, H5N1, habe das Potenzial, ein Massensterben zu provozieren. Wann eine sogenannte Pandemie ausbricht, sei nur eine Frage der Zeit. Jetzt wendet sich die WHO brennenden ethischen Fragen zu, die im Falle einer Pandemie auftreten: Sollen dann bestimmte Personen bevorzugt medizinisch behandelt werden? Darf der Staat Menschen gegen ihren Willen in Quarantäne nehmen? Haben Mediziner im Falle einer globalen Seuche besondere moralische Verpflichtungen? Diese Woche trafen sich internationale Gesundheitsexperten am Hauptsitz der WHO in Genf zu einer ersten Debatte. Dabei äußerten sich die Experten sehr zurückhaltend zu der Frage, welche Gruppen der Gesellschaft bei der Vergabe knapper Medikamente und bei der gesundheitlichen Betreuung bevorzugt werden. Werden Führungskräfte gesondert behandelt? Werden Arbeitslose benachteiligt? Dazu gab es keinen Kommentar. Einigkeit gab es lediglich darin, dass gewisse Berufsgruppen einen starken medizinischen Schutz bräuchten: „Die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind natürlich im Falle einer Pandemie besonders wichtig“, sagte David Heymann, der WHO-Beauftragte für die Vogelgrippe.

„Zudem gibt es Berufsgruppen wie Feuerwehrleute, die immer einsatzbereit sein müssen.“ Daneben hätten auch Journalisten im Falle einer Pandemie eine besondere Verantwortung: Sie müssten die Öffentlichkeit über die Ausbreitung der Krankheit informieren. Wie wichtig auch der Informationsfluss zwischen Regierung und Bevölkerung im Falle einer Pandemie ist, betonte Alex Capron, Professor für Recht und Medizin an der Universität von Südkalifornien: „Die Regierungen müssen die Öffentlichkeit voll über das Ausmaß einer Pandemie aufklären. Nur so kann man erreichen, dass die Bevölkerung auch harte Maßnahmen akzeptiert.“ Beim Ausbruch der Lungenkrankheit Sars im Jahr 2003 wählte das autoritäre China zunächst eine Verschleierungsstrategie: Nachrichten über die Krise sollten möglichst nicht an die Öffentlichkeit dringen. Unter dieser Politik litt der Kampf gegen Sars.

Im Januar will die WHO Richtlinien über diese ethischen Fragen im Falle einer Pandemie veröffentlichen. Die WHO hat aber nicht die Macht, ihre Empfehlungen weltweit durchzusetzen. Den über 190 WHO-Mitgliedsländern steht es frei, die Empfehlungen aufzunehmen.

Jan-Dirk Herbermann[Genf]

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