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Hadrian-Ausstellung: Krieger, Künstler, Kaiser

Seine erste Amtshandlung war der Abzug der Truppen aus dem Gebiet des heutigen Irak: Hadrian, römischer Herrscher, wird in einer Großausstellung in London gewürdigt – eine Vorbesichtigung.

Ein politisches Statement soll es nicht sein. Ein kleiner Fingerzeig vielleicht. Aber auf jeden Fall kein Zufall. „Es ist schlicht ein sehr guter Zeitpunkt für diese Ausstellung“, sagt Thorsten Opper. Der 38-jährige gebürtige Darmstädter ist Kurator im British Museum in London, und seine Stimme klingt sanft und andächtig, so, als wollte er sich der erhabenen Umgebung anpassen. Normalerweise bestaunen Besucher die alten Holztische und Bücherregale des großartigen Saals im Hof des Museums. Immerhin war dieser mal der Lesesaal der British Library, und auch Karl Marx hat sich hier den Kopf zerbrochen und sein „Kapital“ geschrieben. Doch ab Donnerstag steht ein anderer Mann im Mittelpunkt: Hadrian, 21 Jahre lang römischer Kaiser und ein politischer Herrscher, dessen Einfluss bis heute spürbar ist. „In dem Ausmaß habe ich das selbst nicht geahnt“, sagt Opper.

Publius Aelius Hadrianus, kurz Hadrian, war von 117 bis 138 nach Christus Kaiser des Römischen Reichs. Und einer, dessen erste Amtshandlung heute aktueller denn je erscheint. Unmittelbar nachdem Hadrian Kaiser wurde, zog er die römischen Truppen aus Mesopotamien – wo der heutige Irak liegt – ab. „Die Parallelen zur heutigen Situation sind verblüffend“, sagt Opper. Schon kurz nach der Eroberung Mesopotamiens durch Hadrians Vorgänger Trajan kam es zu Aufständen und Unruhen. Das Römische Reich war so groß wie nie zuvor und nie danach. Es reichte vom Norden Englands bis zur Sahara in Afrika und vom Atlantik bis Mesopotamien. „Das war viel zu groß, zu überdehnt, und führte zu einer militärischen Krise, die Hadrian löste“, sagt Opper.

Hadrian, hochintelligenter Staatslenker und Machtstratege, grausamer Kriegsherr, hochbegabter Dichter, Bauherr und Förderer der Künste und nicht zuletzt Verfasser und Schützer geschriebenen Rechts – dieser Kaiser hat in der Geschichte tiefe Spuren hinterlassen.

„Es gibt im Moment sehr viele neue Funde“, erklärt Opper. Einer davon ist eine überdimensionale Büste des ehemaligen römischen Imperators, die erst vor knapp einem Jahr im Südwesten der Türkei entdeckt und ausgegraben wurde. „Die hat außer den Arbeitern in der Türkei und den Mitarbeitern des Museums noch niemand zuvor gesehen“, sagt Opper, der in Münster und Oxford klassische Archäologie studiert hat, stolz. Viele andere Exponate sind ebenfalls besonders, weil sie noch nie außerhalb ihrer Ursprungsländer zu sehen waren. „Das ist die bisher umfassendste Hadrian-Ausstellung, die es je gab“, sagt er. „Mehr als elf Länder sind an der Ausstellung beteiligt, und ich habe alle Fundorte selbst besucht“, sagt er. Auch Oppers alte Heimat Deutschland ist vertreten. Denn die Amme Hadrians war eine germanische Sklavin, die ihn sein Leben lang begleitet haben könnte. Immerhin schenkte er ihr später die Freiheit, und sie wurde in der Nähe seiner Villa bei Rom begraben. In den Mauern des Schlosses Glienicke bei Potsdam findet sich sogar eine Inschrift für sie. Ein Abguss davon ist in der Ausstellung zu sehen. 170 Objekte aus dem Leben Hadrians sind in der bisher größten Ausstellung des Museums zu sehen.

Dass der ehemalige Lesesaal als Ausstellungsort gewählt wurde, hatte nicht nur atmosphärische Gründe, sondern auch architektonische. Schließlich ist die riesige Kuppel des Saals an ein römisches Bauwerk angelehnt, mit dem Hadrian seiner Liebe zur Architektur Ausdruck verliehen hat: das Pantheon in Rom mit seiner bis heute einzigartigen 43 Meter breiten Betonkuppel. Mehr als 10 000 Tickets wurden für die Ausstellung bereits verkauft. Vor allem Engländer sind heiß auf die Exponate, kennen sie Hadrian doch aus einem ganz anderen Zusammenhang. Er ließ während seiner Amtszeit im Norden Englands eine Mauer errichten, um das Reich vor den Schotten zu schützen. Dieser Hadrian-Wall ist bis heute ein Wahrzeichen Englands. „Viele englische Kinder werden von ihren Eltern dorthin geschleppt und müssen sich diese Mauern bei strömendem Regen anschauen. Wir wollen zeigen, dass Hadrian mehr war als diese Mauer“, sagt Opper.

Was genau Hadrian, dessen Markenzeichen eine tiefe Furche in beiden Ohrläppchen ist, aber nun war, muss jeder Besucher für sich selbst entscheiden. Schließlich hatte er viele Facetten, die auch in der Ausstellung mit verschiedenen Exponaten zum Vorschein kommen. Er war nicht nur der kluge, pragmatische Politiker, der aus Mesopotamien abgezogen ist, der die Griechen strategisch eingebunden hat und ihnen so das Gefühl gab, Teil des Römischen Reiches zu sein. Er war auch der Schöngeist, der neben seiner Ehefrau einen jungen Griechen als Geliebten hatte. „Das war zur damaligen Zeit aber völlig normal, im Lateinischen gibt es noch nicht einmal ein Wort für Homosexualität“, sagt Opper. Ungewöhnlich war nur, dass Antinous, sein Geliebter, auf ungeklärte Art und Weise im Nil ums Leben kam und er anschließend gottgleich verehrt wurde. Am Ende sind es aber doch die politischen Entscheidungen, die Hadrians Wirken ausmachen und bis heute nachhallen. Nicht nur wegen seines Rückzugs aus dem Gebiet des heutigen Irak, sondern auch, weil er massiv Einfluss auf die Geschichte Israels genommen hat. Die Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer geschah zwar vor seiner Zeit, doch den Wiederaufbau wollte auch er den Juden nicht gestatten. Seine Armee wurde daraufhin von einem Aufstand 132 n. Chr. unter der Führung des bis heute unter den Juden verehrten Simon Bar Kokhba überrascht. Viele römische Soldaten starben. Hadrian schlug daraufhin unerbittlich zu. Seine Soldaten töteten hunderttausende Juden. „Und um sie noch mehr zu demütigen, ließ er die römische Provinz Judäa in Palästina umbenennen“, sagt Opper. In der Ausstellung ist das Schriftstück aus jener Zeit zu sehen, das diese Namensänderung belegt.

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