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Hamburg: Zehn Jahre Haft für Schlecker-Räuber

Wegen schwerer räuberischer Erpressung in 49 Fällen hat ein Hamburger Gericht Andreas P. zu zehn Jahren Haft verdonnert. Da half dem Räuber, der nur Schlecker-Filialen überfiel, auch sein freundliches Auftreten nicht.

Der 40-jährige Andreas P. wird am Mittwoch vor dem Landgericht Hamburg zu zehn Jahren Haft verurteilt - trotz zahlreicher strafmildernder Umstände und der von allen Verfahrensbeteiligten als aufrichtig empfundenen Reue des Täters. Der sogenannte Schlecker-Räuber hatte innerhalb von 18 Monaten mit einer Schreckschusspistole in sechs Bundesländern 53 Filialen der Drogeriemarktkette überfallen und dabei rund 89.000 Euro erbeutet.

"Sie unterscheiden sich von den üblichen Untersuchungsgefangenen, die wir hier sonst oft haben", sagt der Vorsitzende Richter Hartmut Loth, nachdem er auf Antrag des Verteidigers einen Brief des Angeklagten verlesen hat. Darin wandte dieser sich aus der Haft an seine Schwester und bat sie für seine Vergehen um Verzeihung.

Staatsanwalt Tim Paschkowski hält in seinem Plädoyer dem 40-Jährigen zwar zugute, dass er seine Taten schon während des Ermittlungsverfahrens "bedingungslos" eingeräumt und glaubhaft Reue gezeigt hatte. Seine Aussagen seien jedoch "arg Ich-zentriert" und von Selbstmitleid geprägt gewesen. Paschkowski fordert eine Haftstrafe von elf Jahren.

Überfall mit Tränen in den Augen

Verteidiger Tim Burkert zieht in seinem Plädoyer verschiedene Aussagen von Schlecker-Verkäuferinnen heran, die von P. überfallen worden waren. Eine der Frauen habe zu Protokoll gegeben, dass der Räuber während der Tat Tränen in den Augen hatte und noch vor Erhalt des Geldes "Es tut mir leid" gesagt habe. Nahezu alle Opfer hätten den Angeklagten als "nett" bezeichnet. Burkert plädiert für eine Haftstrafe von sechs Jahren.

Zum Prozessauftakt vor einer Woche hatte P. ein umfassendes Geständnis abgelegt und neben den 53 angeklagten Verbrechen eine weitere Tat gestanden, die er als seine erste bezeichnete. Er sei stets freundlich aufgetreten und habe nie Gewalt angewandt. Vier Schlecker-Verkäuferinnen, die von dem 40-Jährigen überfallen worden waren, hatten seine Aussagen bestätigt. Er sei respektvoll aufgetreten und habe freundlich um die Tageseinnahmen vom Vortag gebeten.

Vor dem Urteil am Mittwoch kommt der Angeklagte noch einmal zu Wort. "Ich bereue jede einzelne Tat aus ganz tiefem Herzen", sagt er. Über die Opfersicht der Zeuginnen sei er sehr erschrocken gewesen. Bei ihnen hatte er sich am Dienstag vergangener Woche entschuldigt.

Unterhalt durch Überfälle finanziert

Der Richter begründet das Urteil mit der Massivität der Serie von schwersten Straftaten. Der Angeklagte habe sich darauf eingelassen, seinen Lebensunterhalt durch Überfälle zu finanzieren. Loth verurteilt P. wegen schwerer räuberischer Erpressung in 49 und versuchter räuberischer Erpressungen in 4 Fällen.

"Das ist eine beispiellose Serie, die nur aufgehört hat, weil die Polizei eingegriffen hat", sagt der Richter. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte ein Beamter des Landeskriminalamts ausgesagt, dass in der Wohnung von P. weitere Landkarten und Routenplaner gefunden worden waren, auf denen Schlecker-Märkte verzeichnet gewesen seien. "53 Taten, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen", sagt Loth.

Der Staatsanwalt zeigt sich mit dem Urteil zufrieden: "Das ist eine gerechte Strafe, die tat- und schuldangemessen und im Interesse der Geschädigten ist." Der Verteidiger wollte sich nach der Verhandlung nicht zu einer möglichen Berufung äußern.

Als Motiv für die Taten hatte P. seine finanzielle Notlage angegeben. Zur Blütezeit der sogenannten New Economy habe er Aktiengeschäfte über Kredite finanziert. Zudem habe er mit einer seiner Schwestern ein Haus gebaut, das komplett fremdfinanziert gewesen sei. Er habe als Angestellter eines Hamburger Internet-Unternehmens gut verdient, bis die Firma 2002 in Konkurs ging.

Torsten Landsberg[ddp]

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