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Junge Musiker bei einem Kinderkonzert in Japan.

© AFP

Harvard-Studie: Musik von Mozart macht nicht schlauer

Musizieren fördert die Kreativität, steigert aber nicht die Intelligenz. Das belegt eine Studie von Harvard-Psychologen. Es gibt trotzdem einige gute Gründe, Kindern das Musizieren beizubringen.

Vor 20 Jahren wurde der „Mozart-Effekt“ zum ersten Mal beobachtet. Damals stellte Frances Rauscher von der Universität von Kalifornien in Irvine fest, dass Studenten nach dem Hören einer Mozart-Sonate für zwei Klaviere in einem Intelligenztest im Teilbereich „räumliches Denken“ kurzzeitig besser abschnitten. Die Vorstellung, durch das Hören klassischer Musik schlauer zu werden, beflügelte danach viele Menschen. Nicht zuletzt Eltern, die ihre Kinder am besten schon im Mutterleib mit Mozart und anderen Klassikern beschallten, um die Intelligenz zu steigern. Auch etliche Wissenschaftler versuchten, Rauschers Ergebnisse in eigenen Experimenten nachzuvollziehen, doch waren ihre Ergebnisse überwiegend ernüchternd. Psychologen der Harvard-Universität kommen nun ebenfalls zu dem Schluss, dass der Mozart-Effekt nur in der Einbildung existiert – auch wenn mehr als 80 Prozent der Amerikaner an ihn glauben.

Die Belege für einen IQ-Anstieg waren schon immer schwach gewesen

Samuel Mehr und sein Team verglichen zunächst 15 vierjährige Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern an Musikunterricht teilnahmen, mit 14 Vierjährigen, die Kunstunterricht erhielten, und zwar wöchentlich 45 Minuten. Nach sechs Wochen wurden die Kinder in den Bereichen Sprache, Mathematik und räumliches Denken getestet. Es gab nur geringe Unterschiede, so dass die Forscher in einem zweiten Experiment 45 Kinder in zwei Gruppen teilten. Die erste erhielt Musikunterricht, die zweite nicht. Auch hier stellte sich heraus, dass die kleinen Musikanten in den Tests nicht besser abschnitten.

Als die Forscher zudem die Ergebnisse beider Experimente zusammen auswerteten, um Musik- und Kunstunterricht mit dem „Nicht-Training“ zu vergleichen, zeigten sich zwischen den drei Gruppen keine deutlichen Unterschiede. „Es gab kleine Differenzen, aber sie waren statistisch nicht bedeutsam“, sagte der Studienleiter Mehr.

Das im Fachblatt „Plos One“ veröffentlichte Ergebnis der Harvard-Forscher liegt im negativen Trend. Obwohl Dutzende von Studien dem Mozart-Effekt nachspürten, gehörten nur fünf der Untersuchungen zu den hochwertigen randomisierten Studien, in denen Versuchsteilnehmer zufällig auf zwei oder mehr Gruppen verteilt werden, um ein möglichst objektives Bild zu erhalten. Von diesen fünf Studien fand sich nur in einer ein Effekt nach einem Jahr Musikunterricht. Er belief sich auf einen IQ-Anstieg um 2,7 Punkte und war so gering, dass er statistisch gerade eben als signifikant, also nicht zufällig, eingestuft wurde.

Musik beflügelt

Schon 1999 hat der Harvard-Psychologe Christopher Chabris eine einfache Erklärung für das vermeintliche Mozart-Phänomen vorgestellt. Das Hören angenehmer Musik könne die rechte Gehirnhälfte in freudige Erregung versetzen, berichtete er im Fachblatt „Nature“, und damit das Lösen von schwierigen Aufgaben zu räumlichem Denken erleichtern. Denn auch mit diesen ist die rechte Hirnhälfte betraut. Vereinfacht gesagt: Musik beflügelt.

Für Chabris’ Annahme spricht, dass einer Untersuchung zufolge nicht nur Mozart, sondern auch das Hören einer Geschichte des Horrorschriftstellers Stephen King das räumliche Denkvermögen steigern kann, das beim Falten und Schneiden von Papiermustern erforderlich ist. Voraussetzung für den Erfolg war, dass das Gehörte gefiel. Und britische Schulkinder schnitten nach Popmusik besser als nach Mozart-Klängen ab, verglichen mit einer Kontrollgruppe, die einer Diskussion wissenschaftlicher Experimente lauschte.

Musik fördert Kreativität, Konzentration und Disziplin

Zwar sind Musikhören und Musizieren offenkundig kein Intelligenzdoping, haben aber ihren Wert in sich. Das Lernen eines Musikinstruments kann zudem die kindliche Kreativität ebenso steigern wie die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und diszipliniert zu sein. Vom gesteigerten Selbstbewusstsein zu schweigen, dass man nach dem Lernen eines neuen Liedes verspürt.

„Es gibt sehr gute Gründe, Kindern Musik beizubringen, ohne dass das einen anderweitigen Nutzen haben muss“, sagt Mehr. „Musik ist eine uralte, einzigartige menschliche Aktivität – die ältesten Flöten, die man ausgegraben hat, sind 40 000 Jahre alt, und das menschliche Singen ging dem lange voraus.“ Jede Kultur auf der Welt besitze Musik, einschließlich der Musik für Kinder. „Musik sagt etwas darüber aus, menschlich zu sein, und es wäre verrückt, das nicht unsere Kinder zu lehren.“

Zudem gibt es andere Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass Musik das Gehirn auf vielfältige Weise stimuliert und etwa die Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis und die gezielte Wahrnehmung verschiedener Sinnesreize verbessern kann – ganz ohne Mozart-Effekt.

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