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Panorama: Heldenzeit

Am Wochenende beginnt die große Open-Air-Saison – mit der Band Wir sind Helden als Stargast

Wenn es in den Clubs und Konzerthallen des Landes zu stickig wird, gehen Musikfans auf die grüne Wiese. Die Festivalsaison ist eröffnet. Am kommenden Wochenende stehen die ersten beiden Open-Air-Highlights bevor: Rock am Ring und Rock im Park gehen im Süden der Republik über die Bühne. Mit einer Popband als Headliner: Wir sind Helden stehen zwischen den Rockstars auf der Hauptbühne. Eine Überraschung.

Zum 20. Jubiläum von Rock am Ring versammeln sich die großen Namen des Rockzirkus am Nürburgring in der Eifel. Das etwas jüngere Parallelfestival Rock im Park auf dem Zeppelinfeld bei Nürnberg feiert natürlich mit. R.E.M., Iron Maiden, Marilyn Manson, Green Day, Incubus und Velvet Revolver sind die Attraktionen. Vor wenigen Tagen tauchten dann Wir sind Helden im Line-up der beiden Festivals auf. Wandelt die Berliner Popband jetzt auf Rockpfaden? Natürlich nicht. Die Gruppe, deren Album „Von hier an blind“ auf Anhieb den ersten Platz der Charts eroberte, setzt auch weiterhin auf gut gelaunten Indie-Pop. Ist dann der Auftritt vor 60000 bis 70000 Menschen nur die logische Konsequenz aus einer gelungenen zweiten Platte, einer sehr erfolgreichen Tour und einer ständig wachsenden Anhängerschaft?

Würden Wir sind Helden bei den großen Rockfestivals im Nachmittagsprogramm erscheinen, würde es niemanden verwundern. Aber die Pop-Aufsteiger beenden den Freitagabend bei Rock im Park nach Velvet Revolver und sind am Sonntag bei Rock am Ring ebenfalls spätabends gesetzt, zu einer Zeit also, in der die versammelten Fans des härteren Gitarrenrocks in den ersten Zuschauerreihen gerne ihre langen Haare fliegen lassen.

Wie kam es dazu? Limp Bizkit, die als Headliner vorgesehen waren, hatten Anfang Mai ihre Deutschlandtour abgesagt. Seitdem war Rock-am-Ring-Veranstalter Marek Lieberberg auf der Suche nach dem passenden Ersatz. Schwierig, denn viele große Bands – wie Oasis oder Queens Of The Stone Age – sind beim Hurricane-Festival, das vom 10. bis 12. Juni in Scheeßel bei Hamburg stattfindet, gebucht. U2 und Eminem spielen nicht auf Festivals, touren lieber alleine. Lieberberg kündigte „eine große deutsche Rockband“ an. Nur wer sollte das sein? Die Ärzte und Rammstein sind für das Hurricane-Wochenende verpflichtet. Die Toten Hosen spielten schon im vergangenen Jahr im Park und am Ring und sind derzeit selbst auf Tour (3. Juni in der Waldbühne). Schon wurde gemunkelt, mit der „großen deutschen Rockband“ seien die – mit einer radikal rechten Vergangenheit vorbelasteten – Böhsen Onkelz gemeint. Lieberberg dementierte.

Jetzt sind also Wir sind Helden die Band, die für die beiden Rock-Großereignisse aus dem Zylinder gezaubert wird. „Weil wir die gut finden“, sagt Lieberberg-Sprecherin Katharina Wenisch. Dass die Fans der harten Gitarrenmusik das genauso sehen, ist fraglich. Aus Verlegenheit muss sich der Veranstalter kurzfristig auf einen Genre-Mix einlassen, ein gewagtes Spiel. Zum Glück sind die Zeiten eiserner Vorlieben im Pop vorbei, die Fans sind nicht mehr festgelegt auf eine Stilrichtung allein.

Lieberberg-Sprecherin Wenisch kündigt außerdem einen „Überraschungsact“ an. Vor den Rock-im-Park-Besuchern wird am Sonntag um 23 Uhr 30 also irgendjemand auf die Bühne klettern und ein Greatest-Hits-Set spielen. Ein Solokünstler? Eine Band? Ein spontan zusammengewürfeltes Ensemble? Der Veranstalter macht es spannend. Für Wir sind Helden sind die Auftritte im Park und am Ring eine Herausforderung mehr. Noch nie hat die Band um Sängerin Judith Holofernes vor einer so großen Menschenansammlung gespielt. Zusätzlich ist noch vollkommen offen, wie tolerant sich das Publikum erweist, das hauptsächlich aus Anhängern der härteren Musiker von Iron Maiden, Marilyn Manson, Slayer und Konsorten besteht. Werden sie auf- und abhüpfen, jubeln und mitsingen, so wie es die Berliner Band auf ihren Konzerten von ihren Fans gewohnt ist? Große Alternativen haben die Festivalbesucher nicht: Bei Rock im Park spielen fast zeitgleich der Indie-Softy Adam Green und die gern als Wir-sind-Helden-Abklatsch betitelten Silbermond.

Auf seine alten Tage wird das harte Rockspektakel Rock am Ring sanfter und öffnet sich anderen Musikrichtungen. Ganz wie Holofernes in „Wenn es passiert“ singt: „Und wenn sich dabei mein Verstand verliert/Ich will da sein / wenn es passiert.“ Sie wird da sein.

Swantje Dake

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