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Hessische Reformschule: Missbrauchsfälle: Leiterin der Odenwaldschule entschuldigt sich

An der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim sind weitere Missbrauchsfälle bekannt geworden. Die Leitung der Schule entschuldigte sich heute öffentlich für den sexuellen Missbrauch von Schülern in den 70er und 80er Jahren.

"Das Leid können wir nicht mehr gut machen", sagte die Direktorin des Elite-Internats, Margarita Kaufmann, am Montag vor Journalisten. "Aber wir können sagen, wir sehen und wissen, dass es Leid war." Sie rief zugleich ehemalige Schüler der Jahre 1970 bis 1985 auf, sich wegen möglichen Missbrauchs zu melden. Dafür werde eine Hotline eingerichtet.

Insgesamt sind bislang 24 Missbrauchsfälle bekannt, wie Kaufmann sagte. Berichte über weit höhere Zahlen - die "Frankfurter Rundschau" hatte am Wochenende von bis zu 100 Opfern gesprochen - könne sie nicht bestätigen. Die Schulleiterin wies zugleich den Vorwurf der "Verschleierung" zurück, räumte jedoch ein, das Internat habe bei den Fällen nicht "aktiv" recherchiert.

Missbrauchs-Vorwürfe gegen den früheren Schulleiter hatte es bereits Ender der 90er Jahre gegeben. Damals wurde Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt stellte jedoch das Verfahren wegen Verjährung ein.

Runder Tisch zu Kindesmissbrauch am 23. April

Nach Bekanntwerden immer weiterer Missbrauchsfälle an Schulen soll im kommenden Monat ein Runder Tisch zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch gebildet werden. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) lud am Montag ein breites Teilnehmerfeld zu einem ersten Treffen am 23. April ein. Die Frage von längeren Verjährungsfristen bei Missbrauch ist offensichtlich auch innerhalb der Bundesregierung umstritten.

Schröder bat zusammen mit Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zu dem Runden Tisch unter anderem Schul- und Internatsträger, die Katholische und Evangelische Kirche, Familienverbände und Vertreter von Ländern und Kommunen. Das Gremium soll sich damit befassen, welche Art der Hilfe und Unterstützung Opfer benötigen. Zudem soll es Antworten darauf finden, was nach Übergriffen auf Kinder und Jugendliche zu tun ist und wie sich Missbrauch verhindern lässt.

Angesichts der jetzt bekanntgewordenen schrecklichen Ereignisse müsse dringend gehandelt werden, erklärte Schröder. Kindesmissbrauch gebe es in unterschiedlichen Bereichen - etwa in Internaten, in Sportvereinen, aber auch in der Familie. Deshalb wolle sie alle Akteure versammeln, um gemeinsame Strategien zu entwickeln.

Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, begrüßte den Runden Tisch. Eine Zusammenkunft aller gesellschaftlich relevanten Gruppen sei "sehr hilfreich", erklärte Ackermann. In den vergangenen Wochen waren vor allem Verdachtsfälle an katholischen Schulen bekannt geworden. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, will am Freitag mit Papst Benedikt XVI. bei einem turnusgemäßen Besuch im Vatikan auch über den Missbrauchsskandal sprechen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich derweil skeptisch zu der unter anderem von Schavan erhobenen Forderung nach längeren Verjährungsfristen. Sie glaube nicht, dass längere Fristen das Allheilmittel seien, sagte sie im Deutschlandfunk. Wenn ein Opfer nach 40 oder 50 Jahren an die Öffentlichkeit gehe, nütze auch eine Verlängerung der Verjährungsfrist um zehn Jahre nicht. Es sei ganz schwierig, nach 40 oder 50 Jahren Sachverhalte zu ermitteln.

Schavan hatte sich dagegen am Sonntagabend im ZDF dafür ausgesprochen, die Verjährungsfristen zu verlängern. "Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass zum Teil erst viele Jahre nach dem Missbrauch gesprochen wird", sagte die Ministerin. Derzeit beträgt die Verjährungsfrist bei schwerem Kindesmissbrauch 20 Jahre, die allerdings erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr beginnt. (dpa/AFP/ddp)

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