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Hochwasser: Das Bangen bleibt

Die Fluten sinken, die Furcht bleibt: Nach verheerenden Überschwemmungen und neuem Regen drohten am Freitag Dammbrüche und Erdrutsche.

München/Wien/Genf (26.08.2005, 20:21 Uhr) - Im Südosten Bayerns glichen weite Landstriche noch immer einer Seenplatte. Im Kloster Weltenburg bei Kelheim konnten Mönche und Helfer nur mit vereinten Kräften ein Eindringen des Hochwassers in die berühmte Klosterkirche verhindern. Mit Hochdruck versuchten Einsatzkräfte, aufgeweichte Dämme zu sichern. In Österreich wuchs nach neuen Regenfällen die Angst vor Erdrutschen und Murenabgängen. Auch in der Schweiz regnete es erneut, größere Zwischenfälle wurden aber nicht gemeldet.

Mindestens elf Menschen - vier in Österreich, sechs in der Schweiz und ein Mann in Bayern - kamen seit Wochenbeginn durch das Hochwasser ums Leben. Der Schaden geht in die Hunderte Millionen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vereinbarten eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe für rasche Hochwasserhilfen in Bayern. «Wir wollen den Betroffenen ein schnelles Signal geben», sagte Schröder am Donnerstagabend in Augsburg. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) forderte eine Katastrophen- Zentrale auf Bundesebene. «In Oberbayern funktionierte die Hilfe gut», sagte er dem «Münchner Merkur» (Samstag). Bei größeren Hochwasser-Katastrophen habe es in der Vergangenheit aber immer wieder an der Koordination gehapert.

Ein Drama spielt sich in Rumänien ab: Dort stieg die Zahl der Todesopfer bei den seit fast zwei Wochen andauernden Überschwemmungen auf mindestens 33. Im Süden Polens entstanden ebenfalls Millionenschäden.

Im bayerischen Landkreis Kelheim mit dem Kloster Weltenburg hoben die Behörden am Freitag den Katastrophenalarm auf. Seit Mitternacht falle der Pegelstand der Donau leicht, teilte das Landratsamt mit. Trotzdem seien zahlreiche Hilfskräfte im Einsatz. In Neustadt konnte ein Polderdeich, der zu brechen drohte, gesichert werden.

Die Isar glich immer noch einem reißenden Strom. Im Landkreis Erding arbeiteten Helfer weiter unermüdlich daran, aufgeweichte Dämme zu sichern. «Der Boden ist zum Teil so aufgeweicht, dass Fahrzeuge nicht mehr hinfahren können», berichtete eine Sprecherin des Landratsamtes. Sandsäcke wurden deshalb mit Bundeswehr-Hubschraubern zum Einsatzgebiet gebracht. Das Wasser sinke nur einen halben Zentimeter pro Stunde. Deshalb werde sich die Lage bis Sonntag nicht wesentlich ändern.

Im niederbayerischen Landshut überflutete aufgestiegenes Grundwasser hunderte Keller. In der Drei-Flüsse-Stadt Passau fielen die Pegelstände von Donau und Inn. «Da der Inn zurückgeht, kann uns ein Hochwasser auf der Donau nicht schrecken», sagte ein Stadtsprecher. Die Spitze der Donau wurde in der Nacht zum Samstag erwartet. Unterdessen waren die Aufräumarbeiten im Süden des Freistaates in vollem Gange.

Im österreichischen Paznauntal, wo zuletzt 6000 Urlauber vom Hochwasser eingeschlossen waren, sollten mehrere provisorische Verbindungen zur Außenwelt geschaffen werden, wie der Österreichische Rundfunk ORF meldete. Experten befürchteten nach neuen Niederschlägen in Vorarlberg und Tirol, dass die vom Dauerregen völlig aufgeweichten Hänge ins Rutschen kommen könnten. Insgesamt sind nach offiziellen Angaben etwa 3500 Feuerwehrleute und Soldaten in den Hochwassergebieten im Einsatz. Die Überschwemmungen haben nach Berechnungen der Nachrichtenagentur APA Schäden in Höhe von «mehreren Hundert Millionen Euro» allein an der Infrastruktur - an Straßen und anderen Verkehrswegen - verursacht.

Die Lage in den Hochwassergebieten der Schweiz hatte sich am Freitag weiter stabilisiert. Auf der Schweizer Gotthardstrecke zwischen Basel und dem Tessin fuhren wieder Züge. Noch immer konnten aber hunderte Menschen nicht in ihre Häuser zurück, zahlreiche Gebäude waren ohne Strom. Überall gingen die Aufräumarbeiten weiter. Die Armee musste leere Ortschaften gegen Plünderer schützen.

Nach Schätzungen der Gebäudeversicherer liegen die Kosten bei rund einer Milliarde Franken (646 Millionen Euro). Hinzu kommen landwirtschaftliche Schäden von mindestens zehn Millionen Franken. Mittlerweile leidet auch der Tourismus in Luzern und dem Berner Oberland unter dem Hochwasser.

Allein bei der Deutschen Bahn richtete das Hochwasser in der Alpenregion Schäden von rund zehn Millionen Euro an. Das teilte der bundeseigene Verkehrskonzern in einer ersten Schadensbilanz mit. Wegen der Überschwemmungen sind mehrere Strecken in Bayern derzeit nicht befahrbar. Betroffen seien vor allem Garmisch-Partenkirchen und das Allgäu.

Die Umweltorganisation WWF forderte angesichts von Hochwasser sowie Waldbränden wie in Portugal die EU-Regierungen zu drastischeren Maßnahmen gegen Treibhausgase auf. (tso)

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