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© dpa

Holland: Rot vereint – und macht glücklich

Tausende Männer und Frauen feiern in Holland ihre Haarfarbe. In 100 Jahren könnte sie verschwunden sein

Breda - Boris Becker trägt sie oft in wilden Strähnen, Nicole Kidman gern lang und mit Grazie. Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe hat zwar selbst keine, wünscht sie sich aber bei der Frau seiner Träume: rote Haare. Durch die Völkerwanderung fanden sie in weiten Teilen der Erde Verbreitung. Nun reisten 4000 Rothaarige aus aller Welt nach Holland – um zu feiern, aber auch, um jenen, die noch Witze über „wandelnde Feuermelder“ machen, die rote Karte zu zeigen.

„Das ist ein tolles Gefühl“, sagt Jake Rayen, der eigens aus Denver im US-Bundesstaat Colorado kam. „Hier bist du kein Sonderling, sondern einer von vielen netten Menschen.“ Wer den Rothaarigen in der südniederländischen Stadt Breda beim 4. Welttreffen der „Feuerköpfe“ zuhörte, begriff rasch, dass hier – bei aller Fröhlichkeit – eine Schicksalsgemeinschaft zusammengekommen war.

Menschen aus so verschiedenen Ländern wie Belgien und Brasilien haben wegen ihrer Haarfarbe ganz ähnliche Lebenserfahrungen gemacht wie zum Beispiel der Berliner Robert Petzold. „An meiner Grundschule damals in der brandenburgischen Kleinstadt Trebbin hörte die Hänselei nie auf. So etwas kann für Kinder verdammt hart sein“, sagt der 27- jährige Ingenieur. „Man zieht sich ins Schneckenhaus zurück.“ Inzwischen nimmt Petzold seine Haarfarbe fast schon als Hobby und trägt zum feurigen Wuschelkopf selbstbewusst einen leuchtend roten Bart. „Das ist die beste Methode, mit dem Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz umzugehen“, meint Bart Rouwenhorst, der Organisator des Rothaarigen-Happenings. „Und Selbstbewusstsein erwirbt man in der Gemeinschaft viel besser als allein.“ Dem Bredaer Maler, der selbst dunkelblond ist, kam die Idee zu jährlichen Rothaarigen-Treffen 2005. Damals wollte er nach dem Vorbild Gustav Klimts eine Serie von Frauenbildern schaffen und suchte rothaarige Modelle. Es meldeten sich mehr als 150 Frauen. Rouwenhorst lud sie alle ein und machte ein Gruppenfoto. Seitdem ist die fröhliche Aufstellung zum Gruppenbild im Stadtpark von Breda einer der Höhepunkte des Treffens.

Wie sehr „Erdbeerblonde“ Solidarität brauchen, schilderten Teilnehmer aus Großbritannien. Obwohl es in Schottland mit rund 16 Prozent der Bevölkerung die weltweit stärkste Konzentration von Rothaarigen gebe, hätten viele Briten Vorbehalte. Schlagzeilen machte 2007 der Fall der Familie Chapman, die derartig gemobbt wurde, dass sie mehrfach umzog. Immer wieder wurden die vier rothaarigen Kinder auf der Straße beleidigt und geschlagen.

Dass schlüpfrige Vorurteile gegenüber Rothaarigen auch in Deutschland durchaus als „harmlos-lustig“ akzeptiert werden, machte der Blödel-Barde Frank Zander deutlich: „Ich wünsch mir ''ne Pizza und zwei Rothaarige“, ließ er an seinem 65. Geburtstag wissen – zur Erheiterung des Publikums. Allerdings ist das Getuschel über erotische Qualitäten von Rotschopf-Damen nicht völlig aus der Luft gegriffen. „Rothaarige Frauen sind leidenschaftlicher“, beteuerte die New Yorker Schauspielerin und Sängerin Lindsay Lohan. Der deutsche Sexualwissenschaftler Werner Habermehl machte mit einer Studie Furore, wonach Rothaarige häufiger sowie mit mehr Partnern Sex haben als Blonde und Brünette.

Da wirkte es fast wie eine Hiobsbotschaft, als Wissenschaftler erklärten, eine leichte Mutation des Gens mc1r, die für eine rote Haarfärbung sorgt, sei weltweit auf dem Rückzug. In weniger als 100 Jahren, berichtete das Magazin „National Geographic“, werde es deshalb bei den Menschen wohl keine echten roten Haare mehr geben. dpa

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