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Hurrikankatastrophe: Erster Hilfskonvoi in New Orleans

Nach Tagen in Chaos und Anarchie hat der erste Hilfskonvoi das überflutete New Orleans erreicht. Die Kritik am Krisenmanagement der US-Regierung reißt dennoch nicht ab.

Washington/New Orleans (03.09.2005, 16:20 Uhr) - Die 50 Lastwagen der Nationalgarde mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten wurden von den Flüchtlingen am Freitag (Ortszeit) jubelnd begrüßt, berichtete der Nachrichtensender CNN am Samstag. Ungeachtet des Besuchs von US-Präsident George W. Bush in der Region reißt die Kritik an dessen Krisenmanagement nach dem Hurrikan «Katrina» nicht ab.

US-Kongressmitglieder beider Parteien kritisierten die Reaktion der Bundesbehörden auf die Katastrophe und kündigten eine Untersuchung der Ursachen an. Die Ermittlungen sollten in der nächsten Woche beginnen, sagten Susan Collins (Republikaner) und Joseph Lieberman am Freitag (Ortszeit) in Washington. Schwarze Kongressabgeordnete warfen der Regierung vor, sie habe zu langsam und unzureichend auf die Katastrophe reagiert.

Angesichts massiver Kritik und wütender Proteste hatte Bush eingeräumt, dass die bisherige Hilfe für New Orleans inakzeptabel gewesen sei. Allerdings habe niemand das Ausmaß der Zerstörung vorausgesehen. Er sagte den verbliebenen 50.000 Obdachlosen in New Orleans zu, dass sie in Kürze mit Bussen und Flugzeugen in Sicherheit gebracht würden. Auch solle die Gewalt in der Stadt so schnell wie möglich beendet werden. Bürgermeister Ray Nagin erklärte nach dem Bush-Besuch, der Präsident meine es ernst mit der Hilfe. Zuvor hatte Nagin seinem Ärger über das Krisenmanagement Luft gemacht und die Regierung aufgefordert, «den Hintern zu bewegen».

In der Region New Orleans harrten nach Behördenschätzungen am Tag fünf nach dem Hurrikan noch Zehntausende Menschen unter chaotischen Bedingungen aus. Am Freitag waren 40.000 Einwohner mit Hubschraubern auf den Flughafen außerhalb der Stadt gebracht worden. Die US-Fluggesellschaften richteten eine Luftbrücke ein, um 25.000 Obdachlose auf den Luftwaffenstützpunkt Lackland (Texas) zu bringen, teilte das Heimatschutzministerium am Samstag in Washington mit. Die erste Maschine sei am Freitag (Ortszeit) gestartet. Rund um den Superdome warteten am Samstag noch 10.000 Flutopfer auf Rettung.

Zahl der Todesopfer noch nicht abzusehen

Völlige Ungewissheit herrscht über die Zahl der Toten. Der Gouverneur von Mississippi, Haley Barbour, sprach von mindestens 147 Opfern in seinem Staat, doch liege die Gesamtzahl wahrscheinlich viel höher. Nagin hatte in den vergangenen Tagen die Befürchtung geäußert, in New Orleans könnten mehr als tausend Menschen dem Hurrikan zum Opfer gefallen sein.

In Houston (Texas) waren bis Freitagabend rund 25.000 völlig erschöpfte Flüchtlinge mit Bussen eingetroffen. Insgesamt habe der Nachbarstaat 154.000 Flutopfer aus New Orleans und Umgebung aufgenommen, berichtete CNN unter Berufung auf texanische Behörden. Texas will weiteren 50.000 Menschen eine Unterkunft bieten.

Soldaten sollen die Plünderungen und Schießereien in New Orleans beenden. Scharfschützen bezogen auf den Dächern Position. Selbst viele Polizisten hatten sich zuvor nachts nicht mehr auf die Straßen getraut.

Das US-Militär setzte sich gegen Kritik an unzureichender Hilfe zur Wehr. General Russel Honoré erklärte, es sei sehr schwierig, Wasser und Lebensmittel zu den Eingeschlossenen zu bringen. «Wenn es einfach gewesen wäre, hätten wir es längst gemacht. Aber wenn 20 000 Leute zum Essen kommen, können Sie sich vorstellen, wovon ich spreche», sagt er nach Angaben von CNN.

Außenministerin Condoleezza Rice dankte der Europäischen Union und anderen Ländern für deren Hilfsangebote. Deutschland schickt einen Trupp des Technischen Hilfswerks (THW) in die Krisenregion. Das Team soll die Lage sondieren, damit die Hilfe unverzüglich anlaufen kann. Das Deutsche Rote Kreuz wird wahrscheinlich in der nächsten Woche Logistikexperten in das Gebiet entsenden.

Zweifel am Wiederaufbau von New Orleans

Dennis Hastert, Präsident des Abgeordnetenhauses, und Bush-Freund, hat öffentlich Zweifel am Sinn des Wiederaufbaus von New Orleans geäußert, berichtete die «Washington Post» am Samstag. Auf die Frage, ob es Sinn mache, Milliarden für den Wiederaufbau einer Stadt auszugeben, die unterhalb des Meeresspiegels liegt, antwortete Hastert: «Ich weiß nicht, in meinen Augen macht das keinen Sinn.» Louisianas Gouverneurin Kathleen Blanco sagte dazu: «Uns noch zu treten, wenn wir am Boden liegen, und Hoffnung zu zerstören, wenn Hoffnung das einzige ist, was übrig ist, das ist ein undenkbares Verhalten für eine Führungspersönlichkeit in seiner Position.»

Derweil zeichnet sich langsam das Ausmaß der Naturkatastrophe ab. Mindestens 350.000 Häuser sind nach Angaben der Behörden zerstört worden. Rund eine Million Menschen haben ihr Zuhause verloren. Nach Angaben der Armee wird es fast drei Monate dauern, das Wasser aus der Stadt zu pumpen. Die Gesamtschäden werden auf bis zu 100 Milliarden Dollar (80 Milliarden Euro) geschätzt. (tso/dpa)

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