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Panorama: Im eigenen Film

Fans und Touristen wandeln auf den Spuren ihrer Helden aus Kino und Literatur

Die Tourismusbranche boomt. Und nachdem fast alle Ecken und Flecken der Erde besichtigt sind, gehen die Reisen jetzt auch Richtung Fantasie. Die Veranstalter haben mit dem „Set-Jetting“ einen neuen Trend ausgemacht. Sage keiner, dass die Kultur keinen Einfluss auf wichtige Wirtschaftszweige habe: Laut einer Studie des britischen Reiseversicherers Halifax Travel Insurance lassen sich 25 Prozent der Touristen bei der Wahl ihres Urlaubsortes von Büchern und Filmen anregen.

So erlebte Neuseeland nach der „Herr der Ringe“-Trilogie einen unglaublichen Touristikaufschwung. Tausende Touristen haben sich mittlerweile die Drehorte im Farmland Matamata (das „Auenland“, in dem die Hobbits wohnen) angesehen, oder den Lake Taupo, von dem man einen tollen Blick auf das Vulkanmassiv hat, das im Film „Mordor“, das dunkle Reich des Bösen, darstellt.

Ein anderes Beispiel ist der mittlerweile verfilmte Erfolgsroman von Dan Brown, „Sakrileg“: Einige Reiseveranstalter haben geführte Touren auf den Spuren des Da-Vinci-Code, zu den Handlungsorten und Kulissen von Buch und Film in Paris und London im Angebot.

Der Internet-Reiseveranstalter I-Travel, offeriert aktuell neben den „Sakrileg-Reisen“ auch Reisen in die kanadischen Landschaften aus dem Kinofilm „Brokeback Mountain“ oder, ebenfalls in Kanada, zu den Orten des Erfolgsromans „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Bei der „Brokeback-Mountain-Reise“ nach Kanada kann man sieben Nächte auf den Spuren der schwulen Cowboys wandeln – pro Person für etwa 500 Euro.

Auch die Schauplätze des Romans „Das Parfum“ von Patrick Süskind, dessen Filmversion ab dem 16. September dieses Jahres in die Kinos kommt, wird noch mehr Touristen in die französische Provence locken, als ohnehin schon.

Aber nicht nur das aktuelle Kinoprogramm wird bereist, auch TV-Klassiker werden nicht vergessen: Im letzten Jahr begleitete der Schauspieler Pierre Brice beispielsweise eine Reise zu den Drehorten von „Winnetou“: Gedreht wurde das Kult gewordene „Cowboy und Indianer“- Spiel nämlich weder im Wilden Westen der amerikanischen Prärie, noch in der norddeutschen Theaterkulisse von Bad Segeberg, sondern im sonnigen Kroatien. Die Reisenden besichtigten zusammen mit dem Winnetou-Darsteller dort grüne Waldlandschaften, malerische Wasserfälle und ruhige Seenlandschaften.

Wer lieber Party und Action möchte, kann viel Geld auf dem „Traumschiff“ lassen – oder nach New York fliegen, das aus vielen Perspektiven die Kulisse für zahllose Filme geboten hat. Die meisten „Set Jetter“ in New York sind momentan Fans von „Sex and the City“. Während der Tour zur Serie kann man bei „Jimmy Choo“ sündhaft teure Manolo Blahniks- Schuhe kaufen, auf der Veranda von Carry sitzen oder die Galerie besichtigen, in der Charlotte arbeitet.

In der Schweiz werden zunehmend Inder begrüßt – dort wurden in den letzten Jahren einige Bollywood-Filme gedreht.

Tokio, die teuerste Stadt der Welt, war mit beeindruckender Skyline, wilden Straßenszenen und coolem Nachtleben die Kulisse für den Film „Lost in Translation“. Je nachdem, was der eigene Geldbeutel mitmacht, kann man sich dort entweder in den Laken des Luxushotels wälzen, in denen sich auch Bill Muray und Scarlett Johansson – im Film selbst nur kurzfristig Besucher der Stadt – kennen- lernten; oder man macht „nur“ die Karaoke-Bar aus dem Film ausfindig. Da kann man dann sogar selbst auftreten. In London kann man auf den Spuren von Scarlett Johansson sogar nach einer eigens herausgegebenen Citykarte zu Woody Allens „Match Point“ wandeln. Wer allerdings ihm Bahnhof King’s Cross wie Harry Potter durch die Wand gehen will, stößt an die Grenzen der Realität.

Manche Film- und Bücherfans geben sich mit den „Hot Spots“ der großen Blockbuster-Filme nicht zufrieden: Sie durchforsten Literatur und Videos nach möglichst exakten Angaben – und präsentieren sich dann in kleinen Videosequenzen oder Digitalfotos im Internet: Verliebt wie Julie Delpy und Ethan Hawke in Wien („Before Sunrise“) und wie Julia Roberts mit Hught Grant im Londoner Stadtteil „Notting Hill“, solo im Pariser Café der fabelhaften „Amelie“ Audrey Tautou – oder martialisch mitten in der indonesischen Wüste, wo noch die verlassenen Kulissen der „Star Wars“- Filme stehen, die man ganz kostenlos besuchen kann.

Patrick Weber

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