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Panorama: Im Sturzflug auf die Anklagebank

Friedemann Diederichs,Chicago Er glaube, er könne fliegen, sang der farbige US-Rythm- und Blues-Star Robert „R.“ Kelly in einem seiner größten Platten-Erfolge.

Friedemann Diederichs,Chicago

Er glaube, er könne fliegen, sang der farbige US-Rythm- und Blues-Star Robert „R.“ Kelly in einem seiner größten Platten-Erfolge. Nun ist der berufliche Höhenflug des zweifachen Grammy-Gewinners und mehrfachen Millionärs jäh gestoppt worden. Nur zwei Stunden nachdem die Polizeiführung der Millionenstadt Chicago am Mittwochnachmittag vor die Fernsehkameras getreten war und den Erlass eines Haftbefehls gegen den prominenten 35-Jährigen verkündet hatte, klickten im Sonnenparadies Florida die Handschellen, als der Musiker im blauen Jogginganzug und mit flottem Jeans- Hut die Villa eines Freundes verließ.

Wenig später fand sich Kelly, der noch bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City vor einem Millionenpublikum auf der Bühne gestanden hatte, in der kargen Zelle des Sheriffs von Polk County wieder und konnte den Grund für die Festnahme lesen: Die Anklage eines Geschworenengerichts umfasst 21 Punkte, die sich um Kinder-Pornografie drehen und ihm unter anderem die Herstellung eines solchen Filmes und die Verführung einer zum Tatzeitpunkt Minderjährigen vorwerfen.

„Uns interessiert nicht, ob der Gesuchte prominent ist. Wir sehen nur die Fakten. Dies ist ein krasser Fall, den wir mit aller Härte des Gesetzes verfolgen werden,“ hatte der Polizeichef von Chicago vor Kellys Verhaftung gesagt. Eine Sonderkommission der Sittenpolizei hatte monatelang recherchiert, nachdem der auflagenstarken Chicagoer Tageszeitung „Sun Times“ im Februar anonym ein Videoband zugespielt worden war, auf dem nach Behördenangaben Kelly 26 Minuten lang in Sexszenen mit einem jungen farbigen Mädchen – der Tochter eines Bandmitglieds – zu sehen ist, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen erst 14 Jahre alt gewesen ist. Die jetzt formulierten Vorwürfe waren in Chicago seit Monaten ein offenes Geheimnis: An zahlreichen Straßenecken seien sogar Raubkopien des belastenden Videos feilgeboten worden, so die Polizei.

Für R. Kelly sind die jetzt erhobenen Vorwürfe, die für ihn bei einer Verurteilung mit bis zu 15 Jahren Haft enden können, keine neue Erfahrung. Mindestens zwei Zivilklagen wegen angeblicher Verführung Minderjähriger konnte der bei Musik-Ständchen in der U-Bahn entdeckte Sänger durch die Zahlung von Schweigegeldern in der Vergangenheit abwehren, und auch die Staatsanwaltschaft stieß ins Leere, weil sich keine Zeugen mehr für Aussagen fanden. Seinen Schützling Aaliyah – sie starb im August 2001 bei einem Flugzeugabsturz – heiratete Kelly im Jahr 1994 im Alter von 15, doch die Behörden annullierten die kuriose Ehe. Die neuen Vorwürfe abzuwenden, dürfte Kelly nach Ansicht der Ermittler schwer fallen.

Weil man damit rechnete, dass Kelly behaupten würde, auf dem Video sei nicht er, sondern ein anderer unbekannter Mann zu sehen, legte die Sittenpolizei die Aufnahmen Identifizierungsexperten der Bundespolizei FBI vor. Dabei sei der Sänger „hundertprozentig“ erkannt worden, so Chicagos Polizeichef.

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