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Solange das Schiff am Hafeneingang liegt und die Bergungsteams am Werk sind, können viele kleine Boote den Hafen nicht ansteuern.

© AFP

Insel Giglio: Die Aufmerksamkeit geht, das Wrack bleibt

Seit knapp zwei Wochen redet die ganze Welt vom Schiffsunglück der "Costa Concordia" vor der Insel Giglio. Doch irgendwann werden alle Helfer, Reporter und Schaulustige die Heimreise antreten. Zurück bleiben die „Gigliesi“ - und ein gestrandeter Stahlkoloss.

Eigentlich ist die Insel Giglio ein Traum: Einsame Hügel, malerische Buchten, azurblaues Meer, fantastisches Essen und ganz oben sogar eine mittelalterliche Burg. Seit jenem Freitag dem 13. interessiert sich aber niemand mehr für diese Idylle - seit das gekenterte Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ vor den Hafentoren von Giglio liegt. Der 290-Meter-Koloss passt ebensowenig zu dem kleinen Dorf wie Hunderte von Rettungshelfern, Schaulustigen und Journalisten. Im Gegensatz zu all jenen, die in den nächsten Tagen und Wochen wieder auf die Fähre zum Festland steigen, bleibt die „Concordia“ den Einheimischen länger erhalten. Und davor hat man in Giglio Angst.

„Dieses Ungetüm kann man nicht einfach so wegschaffen“, fürchtet Gaetano Pini. Er ist mit seinem kleinen Dackel von der anderen Seite der Insel in den Hafen gekommen, wie an den meisten Tagen seit der verhängnisvollen Kollision des Luxusliners mit einem Felsen, die mehr als 30 Menschen das Leben gekostet haben dürfte. Früher war Pini selbst Kommandant auf Kreuzfahrtschiffen, wie er erzählt. Manöver wie jenes von „Concordia“-Unglückskapitän Francesco Schettino, das Giglio die Tragödie eingebrockt hatte, hatte der Rentner nie riskiert. Antonio Blanco schüttelt immer noch den Kopf, wenn er mit seinem Taxi auf die Straße Richtung Hafen einbiegt. „Das ist wie ein Film“, kommentiert er die Aussicht hinunter auf die Bucht. „Nur leider kann man das Schiff nicht wie eine Requisite einfach so wieder abbauen und fortbringen.“ An den Anblick gewöhne er sich wohl nie, da kann er noch so viele Touristen und Journalisten über die Insel fahren. Giglio ist stolz auf seine Natur, vor allem auf die bunte Unterwasserwelt - 13 Tauchgebiete werden am insgesamt 28 Kilometer langen Küstenstreifen empfohlen. Die Havarie der „Concordia“ könnte die Insel hart treffen, auch wenn kein Öl ins Meer fließt und das Wasser so durchsichtig bleibt wie auf dem Werbeplakat, vor dem Krisenstabsleiter Franco Gabrielli täglich neue Details der Tragödie bekannt gibt. Dass er bei jeder Pressekonferenz betont, wie wichtig die Vermeidung einer Umweltkatastrophe ist, rechnen sie ihn in Giglio hoch an. Anfang der Woche machte der eloquente Chef des Zivilschutzes den Einheimischen zusätzlich Hoffnung, die „Concordia“ irgendwann loszuwerden. „Das ist immer noch ein Schiff und kein Wrack“, sagte er bestimmt. Die Reederei müsse einen Plan vorlegen, wie der Stahlkoloss wegzuschaffen sei. Das kann und dürfte freilich noch viele Wochen und Monate dauern - genau sagen kann es niemand. Womöglich bleiben der Insel größere Schäden erspart, aber die rund 1500 Einwohner, die „Gigliesi“, beschäftigen auch kleine Sorgen.

„Solange das Riesenschiff am Hafeneingang liegt und die Bergungsteams am Werk sind, können viele kleine Boote den Hafen nicht ansteuern“, denkt beispielsweise Gaetano Rini schon an den nächsten Sommer. Für Don Lorenzo, der in der Chiesa dei Santi Lorenzo e Mamiliano nicht nur den Schiffbrüchigen einen Platz bereitet, sondern nach dem Unglück auch zwei bewegende Gottesdienste abhielt, ist die Situation schwierig. Er will keinen abweisen, der in die Kirche will, aber manchmal platzt es sogar dem Priester heraus. „Wir werden keine Ruhe haben, solange das Chaos hier weitergeht“, sagt er vor seiner Kirche - sehr freundlich, aber bestimmt. „Die Insel Giglio, das hoffen wir hier alle, soll einfach eine Ferien-Insel bleiben.“ (dpa)

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