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Trauer am Unglücksort: ein Schlüsselband als Gedenken an den abgestürzten Germanwings-Flug.

© dpa

Internationale Pressestimmen zum Absturz: "So etwas kann nur ein Deutscher zustande bringen"

Die Umstände des Absturzes der Germanwings-Maschine sind auch in internationalen Medien ein Topthema. Es geht um Sicherheitsvorkehrungen und das Verhältnis Mensch-Maschine. Die italienische Zeitung "La Stampa" hat ihre ganz eigene Sicht auf das Unglück.

Was mehr Sicherheit bringen sollte, brachte vielen Menschen den Tod - auf das Dilemma der gepanzerten Cockpit-Tür weist "USA-Today" hin. Die Sicherheitsmaßnahme wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeführt, um ein Eindringen aus dem Passagierraum in das Cockpit verhindern zu können: "Verstärkte Cockpittüren, die von innen verschlossen werden können, sind seit den Entführungen vom 11. September die effektivste Sicherheitsmaßnahme, aber dies ist für Germanwings nach hinten losgegangen. Es war zu hören, wie der vom Copiloten ausgeschlossene Pilot an der Tür hämmert, während der Jet sinkt."

Die französische "Libération" stellt fest: „Trotz aller Fortschritte der Technologie kann nicht verhindert werden, dass der Mensch in Verbindung mit der Maschine das letzte Wort behält. Die Vorstellung ist beruhigend und beängstigend zugleich. Außerdem hat man jetzt erfahren, dass Piloten nach Erwerb ihres Diploms keine psychologischen Tests mehr bestehen müssen. Dies sollte man schleunigst überdenken.“

Die spanische Zeitung "El Mundo" setzt deshalb auf eine veränderte Ausbildung der Piloten: „Die Luftfahrt ist die sicherste Transportmöglichkeit. Ihre Protokolle unterliegen einer ständigen Revision mit dem Ziel, auch für die unwahrscheinlichsten Szenarien Vorkehrungen zu treffen. Aber nach dieser Tragödie beklagen viele Experten, dass die technische Entwicklung nicht begleitet wurde von einem ausreichenden Training der Piloten, das praktisch weiterhin wie in den 1970er Jahren durchgeführt wird. Auch scheint es offensichtlich, dass die Notwendigkeit besteht, die medizinischen und psychologischen Tests der Piloten zu verbessern. Sowohl zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fluglizenz als auch bei späteren regelmäßigen Prüfungen, die derzeit alles andere als streng sind. In diesem Fall haben leider die Tests versagt, bei denen keine Persönlichkeitsanomalie festgestellt wurde.“

Auch neue Richtlinien für die Besetzung des Cockpits sind Teil der internationalen Debatte. Die "New York Times" kommentiert: „Französische Ermittler glauben, dass der Copilot Andreas L. bei Bewusstsein war, aber wir werden das vielleicht nie mit Sicherheit wissen. Wir wissen aber, dass es möglicherweise anders gelaufen wäre, wenn eine weitere Person mit im Cockpit gewesen wäre. (...) Eine solche Regelung ist sinnvoll, und alle Fluggesellschaften sollten sie einführen. In einem Notfall könnte eine Flugbegleiterin versuchen, die Tür zu öffnen oder den Kapitän zurückzuholen. Die Anwesenheit (einer weiteren Person) wäre nicht nur im Falle von vorsätzlicher Sabotage nützlich, sondern auch wenn der am Steuerknüppel sitzende Pilot ausfällt, etwa durch einen Herzinfarkt.“

Viele amerikanische Airlines haben bereits eine solche Regelung, andere führten sie per Eilbeschluss bereits ab dem heutigen Freitag geltend ein.

Die Frage nach dem Grund thematisiert "La Charente Libre" aus Frankreich, muss aber auch sofort feststellen: „Die Frage nach dem Warum bleibt ohne Antwort. Wird es eines Tages eine geben? Welche Blackbox kann acht Minuten Schweigen eines Mannes entschlüsseln [...]?“

Die slowakische Zeitung "Dennik K" kommentiert dazu: „Wenn der Co-Pilot nur aus persönlichen Motiven absichtlich das Flugzeug zerstört und die Reisenden sowie seine Kollegen ermordet hat, ist das eine schlimmere Nachricht als wenn sich ein Terroranschlag bestätigt hätte. Es ist sogar schlimmer als wenn sich gezeigt hätte, dass der Pilot aus ideologischen Gründen und aufgrund von Terror-Verbindungen gemordet hätte. Dieser Fall bringt ein völlig neues Bedrohungsgefühl, das wir noch nicht kennen und vor dem wir uns noch nicht zu schützen wissen.“

Eine ganz andere Perspektive auf den Absturz nimmt die italienische Zeitung „La Stampa“ ein. Für sie hat das Unglück etwas genuin Deutsches: „Der Umstand, dass es keinen Sturzflug gab und somit nicht gleich Panik unter den Passagieren aufkam, ist vielleicht der, der bei manchen den Gedanken aufkommen lässt: So etwas kann nur ein Deutscher zustande bringen. Das ist ein Gedanke, beladen mit Vorurteilen. Aber es ist der gleiche, den alle Welt über den Unglückskapitän der „Costa Concordia“, Francesco Schettino, hatte: Nur ein Italiener kann so etwas. (...) Deutschland muss sich jetzt auch über ein gebrochenes System Gedanken machen, das auf der Ausgeschlossenheit des Unvorhergesehenen fußt. (...) In Ländern, die große Charaktere hervorbringen, ist ein einzelner Mensch in der Lage, alle anderen in die Hölle zu ziehen.“

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Leon Tilly

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