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Gefahr aus dem Netz. Eltern stehen vor der Frage, was sie erlauben, was sie verbieten sollen.

© picture-alliance / Sven Simon

Internetstudie: Heimlich mit fremden Jungen gruscheln

Eine Studie des Bundeskriminalamts zeigt: Viele Eltern haben keine Ahnung, was ihre Kinder im Netz umtreibt. Dabei werden Jugendliche leicht Opfer von Internetkriminalität, wenn sie nicht kontrolliert werden.

Charlotte ist 14 Jahre alt. Sie lebt in Hamburg als Tochter technisch überdurchschnittlich versierter Eltern. Und sie möchte sich mit einem Jungen treffen, der ganz in der Nähe wohnt. Warum auch nicht? Er ist kaum älter, 15 Jahre, und sieht sehr nett aus. Zumindest auf dem Bild bei SchülerVZ. Ein bisschen mulmig ist es Charlotte schon dabei. Sie hat so was noch nie gemacht. Mit ihren Eltern kann das Mädchen leider nicht reden. Die wissen nicht, dass Charlotte schon wieder heimlich auf SchülerVZ war.

Und nicht nur sie. Wohl die Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland surft nahezu unbeaufsichtigt durch die weite Welt des Internet. Ein Forschungsprojekt von Bundeskriminalamt und Universität Landau unter Schülerinnen und Schülern in Rheinland-Pfalz zwischen 12 und 20 Jahren zumindest kommt zu dem Ergebnis, dass „50 Prozent gar nicht bis kaum in ihrem Nutzungsverhalten am Rechner und im Internet von den Eltern beaufsichtigt werden“. Und dabei werden Jugendliche auch noch umso leichter Opfer von Internetkriminalität, je weniger die Eltern um die Netzaktivitäten der Kinder wissen und sie kontrollieren.

Charlotte ist nicht zu ihrem Date mit dem netten User von nebenan gegangen, über den sie in Wirklichkeit nicht das Geringste weiß. Sie hat es so lange mit einer Freundin am Telefon diskutiert, bis die Eltern schließlich hellhörig wurden. Die akustische Kontrolle hat funktioniert. Die digitale Kontrolle allerdings, ob über Dates oder über Downloads, ist nur schwer zu gewährleisten. Von den befragten Kindern und Jugendlichen sagen 57 Prozent, dass sie im Schnitt weniger als eine Stunde pro Tag am Rechner verbringen. Alle anderen mehr. Und 15 Prozent sitzen sogar vier Stunden oder noch mehr vor dem Bildschirm. Bei Youtube, Paninionline, SchülerVZ oder auch Facebook.

Toms Eltern wissen, dass er regelmäßig bei SchülerVZ verkehrt. Kein Problem. Sie haben klare Regeln abgesprochen: gegruschelt wird nur mit persönlichen Freunden, als „Freunde“ eingeladen werden nur echte Menschen, solche, die der Zwölfjährige kennt. Wäre da nicht noch der heimlich eingerichtete Facebook-Account. Mindestens fünf andere in seiner Klasse haben den. SchülerVZ haben irgendwie alle. Und einige haben eben auch Facebook. „Eine besonders wichtige Nutzendimension nimmt für Kinder und Jugendliche die soziale Bewunderung durch Freunde ein“, heißt das im Forschungsdeutsch der Studie. Die Jugendlichen gingen Risiken besonders dann ein, „wenn sie dafür Anerkennung erhalten“. Und die ist ab einem gewissen Alter einfach wichtiger als die Anweisungen der Eltern.

Oft nur durch Zufall oder sehr beharrliches Nachverfolgen der Online-Aktivitäten ihres Kindes, haben Eltern überhaupt nur eine Chance, zu erfahren, auf welchen Seiten Sohn oder Tochter verkehrt. Oder wenn plötzlich unangenehme Überraschungen im Briefkasten landen. Hohe Rechnungen zum Beispiel von OnlineShops, Tauschbörsen aber auch von betrügerischen Webseiten. Neben einer großen Anzahl von virtuellen „Freunden“ gibt es Anerkennung nämlich insbesondere für den Besitz möglichst vieler Musiktitel, Spiele oder Filme, die illegal heruntergeladen wurden. So etwas sorgt für Bewunderung – und potenziell auch für Sicherheitslecks im heimischen Computer.

Trojaner, Ad- und Spyware, sie schleichen sich ganz besonders leicht auf Rechner, die von der ganzen Familie genutzt werden. Die Jugendlichen wissen noch immer zu wenig um die Risiken der digitalen Welt. Und auf dem gemeinsam genutzten Rechner hat ja ohnehin eigentlich keiner mehr den Überblick. Selbst Passwörter helfen da nicht viel. Kinder sind unheimlich gut darin, das auszuspionieren, was ihnen Grenzen setzen soll. Auch am Computer. In der Folge können nicht nur überraschende Rechnungen kommen. Auch der Missbrauch persönlicher Konten von Online-Diensten droht und sogar das elterliche Bankkonto kann empfindlich leiden. Kinder und Jugendliche machen sich noch kaum einen Begriff davon, inwiefern sie ein Opfer von Kriminalität werden könnten. Gar nicht zu sprechen von der Gefahr, über das Netz an die falschen Menschen zu geraten. Die Vorstellung, von Internetkriminalität getroffen zu werden, ist nicht greifbarer. Zumindest stellen die Experten fest, „die meisten Kinder und Jugendlichen“ hätten „noch keine vertiefte Risikowahrnehmung für den Bereich von Internetkriminalität“ entwickelt. Was aber die elterliche Kontrolle ohnehin nicht ersetzen könnte.

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