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Bond

© dpa

James Bond: Nicht die feine englische Art

Das Ende der Schlagfertigkeit: "Ein Quantum Trost" bricht zwar die Kassenrekorde – aber hat der neue Bond das wirklich verdient?

Der Flug über den Atlantik ist lang, Bond kann nicht schlafen. Früher war er auch im Bett vorzugsweise hellwach, ein Mann von bemerkenswerter Ausdauer. Diesmal aber tut er, was auch normale Menschen in solcher Lage gern tun: Er trinkt sich einen an. Eine ganze Batterie von Cocktailgläsern hat er schon geleert – und kann dem Mitreisenden die Frage, was er da trinke, doch nicht beantworten: „Keine Ahnung.“ Der Barkeeper muss einspringen, zählt alle Ingredienzen eines Wodka Martini auf, vergisst auch nicht, auf die besondere Zubereitung hinzuweisen: geschüttelt, nicht gerührt.

Das 007-kundige Publikum von „Ein Quantum Trost“ beginnt angesichts solcher Unwissenheit zu grinsen. Für den trübseligen Helden aber stellt sie einen Tiefpunkt an Kultiviertheit dar, der alles andere als komisch ist – und umso mehr überrascht, als Bonds Lieblingsgetränk schon im Vorgängerfilm „Casino Royale“ erfunden wurde. Zu stören scheint das niemanden: Am vergangenen Donnerstag kam der Film in die deutschen Kinos und lockte bis einschließlich Sonntag 1,4 Millionen Zuschauer an. Mit Previews und Vorführungen am Mittwochabend waren es sogar 1,7 Millionen. Das ist der beste deutsche Kinostart des Jahres und zugleich Bond-Rekord: „Casino Royale“ hatte 2006 an den ersten vier Tagen „nur“ 1,3 Millionen Zuschauer, insgesamt wurden es 5,634 Millionen.

Spott und Ironie sind dem neuen Bond völlig fremd

Bonds Ignoranz in Sachen Wodka-Martini ist ein symptomatischer Mangel. Denn so unbestreitbar die Qualitäten der runderneuerten Figur und ihres Darstellers Daniel Craig auch sein mögen, Esprit, Humor, Stil gehören nicht dazu. Schon in der ersten Szene wird das überdeutlich – einer Verfolgungsjagd zwischen ihm im Aston Martin und einem feindlichen Alfa Romeo: Kugelhagel, Karambolagen, Detonationen, schließlich sanftes Ausrollen in der Tiefgarage. Dergleichen hat Bond schon oft erlebt, in „Der Spion, der mich liebte“ gegen einen Hubschrauber sogar, und dennoch ließ es sich 007, damals gespielt von Roger Moore, nicht nehmen, der mordlustigen Pilotin freundlich zuzunicken – eine Mischung aus Spott und Ironie, die dem neuen Bond völlig fremd ist. Er kurbelt nur wild, schießt aus der Hüfte und bedeutet am Ziel dem von ihm entführten und schlankweg im Kofferraum verstauten Mr. White nur lakonisch, er dürfe jetzt aussteigen.

Nur selten leuchtet so etwas wie Wortwitz, spielerischer Geist, Weltgewandheit auf, in einer klassischen Bond-Szene in einem Hotelfoyer beispielsweise. Eine junge Agentin will ihn in einer Absteige unterbringen, das sei Teil ihrer Tarnung als Lehrerehepaar auf Bildungsurlaub. Bond dreht auf dem Absatz um, fährt mit ihr ins erste Haus am Platz und checkt ein – als „Lehrerehepaar auf Bildungsurlaub, das im Lotto gewonnen hat“.

Bond würde man eine umfassende Bildung nicht mehr abnehmen

Zwar wusste Craig in „Casino Royale“ eine Flasche gut gekühlten Bollingers zu schätzen, den schon Roger Moore in „Leben und sterben lassen“ orderte, aber die Spottlust seiner Vorgänger hat der neue Bond weitgehend eingebüßt. In Wort und Tat: Den im Golfspiel unterlegenen Goldfinger, der gerade die Fähigkeiten seines Dieners Odd Job an einer geköpften Steinfigur demonstrierte, mit dem Hinweis auf den womöglich verärgerten Clubmanager noch weiter zu reizen, war typisch Sean Connery. Und es war auch dessen feine englische Art, einem soeben ausgeschalteten Gegner noch einen Blumenstrauß hinterherzuwerfen (wie in „Feuerball“). Craig traut man derlei spielerische Sticheleien nicht zu, und er macht erst recht keine gute Figur, wenn man ihn mit den Vorgängern in parallelen Situationen vergleicht. Auch diesmal wird ihm wegen scheinbarer Unzuverlässigkeit die Dienstwaffe abverlangt, wie schon Timothy Dalton in „Lizenz zum Töten“. Als Ort für diesen schmachvollen Akt hatte M damals ausgerechnet Ernest Hemingways Haus auf Key West ausgesucht, was Bond mit dem Bonmot kommentierte, dies bedeute nun wohl „A Farewell to Arms“. Ein Wortspiel mit dem Originaltitel von Hemingways Roman „In einem andern Land“, Spaß für die Bildungsbürger im Publikum und Hinweis auf Bonds umfassende Bildung. Dem Helden aus „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“ dagegen würde man solche Zeugnisse der Belesenheit nicht glauben. Auch er verfügt zwar, wie die ihn abführenden Kollegen rasch erkennen müssen, über Schlagfertigkeit, aber nur jene mit rechtem und linkem Haken.

Dazu gibt Craig mit Bond den Zyniker, die eiskalte Kampfmaschine, aber sein Zynismus ist – anders als bei Connery, dem er noch am nächsten kommt – nicht durch Charme und Humor gemildert und veredelt. Auch dem aktuellen 007 traut man zwar zu, dass ihm die Frauen reihenweise erliegen, was er, in Trauer um seine tote Geliebte Vesper, diesmal nicht recht ausleben darf. Locken kann er sie nur mit seinem perfekten Körper und der resignativen, mitleiderregenden Traurigkeit, nicht mit wohlgesetzten Liebesworten. „Sie können Ihren Charme abschalten, ich bin immun“, hatte Goldfingers „Privatpilotin“ Pussy Galore Sean Connerys Flirtversuche zurückgewiesen, womit sie allerdings irrte. Bei Craig wäre solch eine Mahnung völlig überflüssig. Charme ist wirklich nicht seine Stärke.

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