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Jessicas Hungertod: Lebenslange Haft gefordert

Im Prozess um den Tod der qualvoll verhungerten Jessica hat die Anklage am Freitag lebenslange Haftstrafen für die Eltern des Mädchens gefordert.

Hamburg - Die 36-jährige Mutter und der 50 Jahre alte Vater hätten ihre Tochter «vorsätzlich gequält und vernachlässigt» und «vorsätzlich getötet», sagte Anklagevertreter Bernd Mauruschat am Freitag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht. «Sie haben gewusst, dass Jessica sterben würde, und in diesem Wissen haben sie es auch gewollt», meinte er. «Es kam ihnen darauf an, ihre Ruhe zu haben.»

Die Staatsanwaltschaft wirft Jessicas Eltern Mord durch Unterlassen und Misshandlung Schutzbefohlener vor. Sie hatten das Mädchen über Jahre hinweg unbemerkt von Nachbarn und Behörden wie eine Gefangene in einem verdunkelten Zimmer ihrer Hochhauswohnung in Hamburg-Jenfeld gehalten. Laut medizinischem Gutachten hatte das Kind monatelang kein Tageslicht gesehen und konnte als Folge von Unterernährung nur noch kriechen. Als die Siebenjährige schließlich am 1. März an erbrochenem Speisebrei erstickte, war sie auf 9,6 Kilogramm abgemagert. «Jessica ist nie in einen Dämmerzustand verfallen, sie hat bis zuletzt wahrgenommen, was mit ihr geschah», sagte Mauruschat.

Jessicas Tod hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst und eine Diskussion um die Mitverantwortung der Behörden in Gang gesetzt. In Hamburg waren erst am vergangenen Wochenende wieder mehrere Fälle von Kindesvernachlässigung bekannt geworden.

«Es hätte ein Anruf genügt, beim Arzt, bei der Feuerwehr, beim Jugendamt oder einer Beratungsstelle, und das Schlimmste hätte verhindert werden können», meinte Mauruschat. Jessicas Mutter habe sich vor Gericht als Mensch dargestellt, der hilflos der Widerspenstigkeit ihres Kindes ausgeliefert war. Dies könne aber keine Entlastung sein.

«Egal, was Jessica machte, es wurde als störend empfunden und unterbunden», sagte der Staatsanwalt in seinem einstündigen Schlussvortrag. Zwar hatte ein Gutachter Jessicas Vater wegen eines frühkindlichen Hirnschadens sowie langjährigen Alkoholmissbrauchs eine mögliche seelische Störung bescheinigt. Der Anklagevertreter sah jedoch keinen Grund für eine Strafmilderung.

Die Verteidiger wollen am 16. November ihre Plädoyers halten. Das Urteil wird voraussichtlich am 25. November verkündet. (tso/dpa)

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