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Panorama: Kapstadt: Tanzen unterm Sklavenbaum

Das metallische Lachen des jungen Mannes ist so ansteckend, dass man nicht einmal wissen muß, warum er eigentlich lacht, um mit einzustimmen. Gleich daneben bläst ein dunkelhäutiger Junge in einer gelb-roten Uniform mit Hingabe auf seiner Trillerpfeife und schwenkt dazu im Takt einen Miniatursonnenschirm.

Das metallische Lachen des jungen Mannes ist so ansteckend, dass man nicht einmal wissen muß, warum er eigentlich lacht, um mit einzustimmen. Gleich daneben bläst ein dunkelhäutiger Junge in einer gelb-roten Uniform mit Hingabe auf seiner Trillerpfeife und schwenkt dazu im Takt einen Miniatursonnenschirm. Andere der Prozessionsteilnehmer spielen auf Banjos und Trompeten und schaffen damit jene unverwechselbare Musik, die dem Kapstädter Coon Karneval sein eigenes Gepräge gibt. Monatelang haben sich die teilnehmenden Teams aus den farbigen Townships über die Farben ihrer Uniform gestritten, Spottverse und wehmütige malaiische „liedjies“ eingeübt, bis sich schließlich am Sylvesterabend immer neue Wellen von singenden, tanzenden und jubelnden Männern in ihren regenbogenbunten Satinköstümen in die Innenstadt der südafrikanischen Küstenmetropole ergießen. Ganz langsam wälzt sich die bunte Prozession dann zunächst durch die Adderley Street, Kapstadts alte Prachtstraße, und vorbei an einer Vielzahl von Stätten, die für die Geschichte der Kapfarbigen bedeutsam waren: das Parlament, wo ihnen bis vor 20 Jahren der Zutritt verwehrt war, der gleich davor gelegene Sklavenbaum, unter dem die vor allem aus Java (Batavia) eingeführten Sklaven bis vor wenig mehr als 150 Jahren an die europäischen Siedler verkauft wurden, und schließlich der District Six, das frühere Herz von Kapstadt, aus dem die Farbigen Ende der Sechzigerjahre von der Apartheidregierung auf die staubigen Kapebenen zwangsumgesiedelt wurden. Offiziell heißt das Fest der Kapfarbigen zum Jahreswechsel zwar „Cape Ministrel", doch im Volksmund ist es in Anlehnung an seine Herkunft in den US-Südstaaten nur als „Coon (Nigger) Karneval“ bekannt. Die Farbigen stört der politisch inkorrekte Name nicht im geringsten. Zu ihren Vorfahren zählen malaiische Sklaven, weiße Siedler und Schwarze aus dem Inneren von Südafrika. Ihre kreolisierte Kultur und die Geschichte der Sklaverei haben der Stadt am Kap der Guten Hoffnung den Stempel aufgedrückt.

Ungewöhnlich ist das genaue Datum: Gefeiert wird der Coon Karneval immer zum „Zweiten Neujahr", denn am 2. Januar erhielten die Sklaven von ihren Herren früher einen freien Tag. Viele verbrachten ihn nach dem anstrengenden Dienst um die Weihnachtstage gerne bei einem Picknick am Strand. Auch nach Abschaffung der Sklaverei im Jahre 1834 setzte sich die Tradition fort.

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