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Panorama: Kein Sommerloch in Polen: Nach dem Urlaub - Erholung in Berlin (Gastkommentar)

Ach, welche Erfrischung, ins kühle Wasser einzutauchen! Und nach dem Bad ein bisschen im Sand liegen, sich von der August-Sonne wärmen lassen.

Ach, welche Erfrischung, ins kühle Wasser einzutauchen! Und nach dem Bad ein bisschen im Sand liegen, sich von der August-Sonne wärmen lassen. Die Ferien sind vorbei. Jetzt endlich beginnt die wahre Entspannung! Es ist eine Erholung, nach einem anstregenden Urlaub in den Masuren nach Hause zu kommen. Da lebt der Mensch wieder auf, hat endlich etwas Muße.

In Polen gab es in diesem Jahr keine Spur von Saure-Gurken-Zeit. Der Sommer war vorbei, ehe er richtig begonnen hatte: April, Mai, Juni. Und er kehrt auch nicht mehr zurück, sagen die Bauern und Metereologen, die Urlaubsexperten und - die ältesten Góralen: die Bewohner der Hohen Tatra, deren Wetterprognosen stets zuverlässiger waren als die der Wetterfrösche. In meinem Masuren-Urlaub im Juli konnte ich ein einziges Mal in den See steigen, ohne sogleich mit einem spitzen Schrei über die kühle Temperatur wieder herauszuspringen. Im Vergleich dazu bietet mein Lieblings-Badesee in Berlin geradezu Mittelmeer-Wärme.

Für Polens Hoteliers und Kurort-Bedienstete fiel die Saison aus. Die Umsätze liegen 40 Prozent unter denen des Vorjahres. An beliebten Ferienzielen war es leichter, einen der vielen Präsidentschaftskandidaten zu treffen als Urlauber. Die Wahl ist zwar erst im Oktober, aber da der Sommer mau ist, hoffen die Kandidaten, potenzielle Wähler mit einer Kaffeetafel oder einem Blasmusik-Abend von anderen Zerstreuungen wegzulocken.

Auch in Warschau ist nichts vom Sommerloch zu spüren. In meiner Heimatredaktion tummeln sich so viele Kollegen wie auf dem Höhepunkt der Legislaturperiode. Tja, die Politiker denken eben auch nicht daran, in Urlaub zu fahren - bei diesem Wetter. Das diesjährige Sommer-Theater in Polen ist ja auch von anderem Kaliber, als man das in Deutschland gewohnt ist. Das Lustrationsgericht prüft, ob Präsident Kwasniewski ein Spitzel war und von der Wahl ausgeschlossen wird. Ebenso ergeht es seinem Vorgänger Lech Walesa - war der Führer der Gewerkschaft "Solidarnosz", die den Kommunismus stürzte, in Wahrheit ein Agent kommunistischer Geheimdienste? Nur das Ausland nimmt davon kaum Notiz, wahrscheinlich, weil wenigstens die Warschauer Korrespondenten ausländischer Medien in Urlaub gefahren sind. Selbst Polens Parlament arbeitet. Sommerpause - Fehlanzeige. Zum Beispiel an einem Gesetz, das staatliche Wohnungen und Grundstücke an deren jetzige Nutzer übertragen soll. Zyniker spotten: Wahlgeschenke.

Nach ein paar Tagen Warschau ist der Erholungseffekt von zwei Wochen Masuren fast wieder aufgebraucht. Erneut fühle ich mich urlaubsreif. Berlin, ich danke dir! Der Kanzler erholt sich auf Mallorca, wie Millionen andere Deutsche. Die politischen Themen sind die gleichen wie vor meiner Reise in die Ferien. Und die sieben schlechten Wochen nach dem ins Wasser gefallenen Siebenschläfer nähern sich dem Ende. Berlin begrüßt mich mit Sonne - und mein Badesee mit Badetemperaturen.

Die Autorin ist Deutschland-Korrespondentin der größten polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza".

Anna Rubinowicz

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