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Panorama: Kein Warnsystem für Entgleisung

BONN (AP).Ein technischer Defekt als Ursache der ICE-Katastrophe von Eschede wird immer wahrscheinlicher.

BONN (AP).Ein technischer Defekt als Ursache der ICE-Katastrophe von Eschede wird immer wahrscheinlicher.Der sogenannte Radreifen am ersten Wagen hinter dem vorderen Triebkopf war gebrochen und hatte sich im Fahrgestell verkeilt, erläuterten Fachleute des Eisenbahnbundesamtes am Freitag in Bonn.Noch völlig offen sei aber der Grund für diesen Bruch.Bislang könne Materialermüdung ebensowenig ausgeschlossen werden wie ein Anschlag."Jede Äußerung zu möglichen Unfallursachen gehört zum jetzigen Zeitpunkt in den Bereich der Spekulation", sagte der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Veit Steinle.

Nach den bisherigen Ermittlungen des Bundesamtes brach der Radreifen sechs Kilometer vor der Unglücksstelle und verursachte so möglicherweise die Entgleisung des Wagens.An dieser Stelle seien "Aufschlagspuren" an den Betonschwellen und an Signalanlagen entdeckt und Fahrzeugteile gefunden worden.An dem Radreifen, der eine Gummi-Dämpfungsschicht umschließt und mit dem eigentlichen Rad verbindet, sei der äußere Ring gerissen, so daß es keine "kraftschlüssige Verbindung" mehr zwischen diesem Rad und der Schiene gegeben habe.

Die ICE-Züge der Deutschen Bahn AG verfügen über keine Warnanzeigen für Radbruch und Entgleisung.Das computergestützte Zugkontrollsystem (ZKS) des entgleisten ICE erfasse nur thermisch-elektrische Meldungen, betonte Steinle.Auf Schwingungen reagiere das Kontrollsystem dagegen nicht; ein Entgleisen oder einen Radbruch könne es demnach nicht erkennen.

Der Leiter der Abteilung Fahrwerk und Betrieb im Eisenbahn-Bundesamt, Jens Böhlke, betonte, das ZKS melde technische Probleme wie etwa defekte Klimaanlagen oder eine fällige Entleerung der Bordtoiletten.Böhlke sagte, bei einer Trennung einzelner Zugwagen werde die Luftleitung unterbrochen, was ein automatisches Bremsen einleite.Ein Alarm werde jedoch erst ausgelöst, wenn die Verbindung zwischen einzelnen Wagen oder zwischen den Wagen und einem der Triebköpfe an den Spitzen des Zuges abbreche.Bei dem am Mittwoch entgleisten ICE war kein Alarm ausgelöst worden.

Die bisherige Untersuchung anderer möglicher Unfallursachen, zum Beispiel der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, ergab nach den bisherigen Ermittlungen des Bundesamtes keine Fehler.So sei aus den Daten des Fahrtenschreibers klar ablesbar, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h auf dieser Strecke nicht überschritten wurde.Der Lokführer hatte eine langjährige Fahrpraxis, kannte die Strecke und hatte die vorgeschriebenen Pausen eingehalten.Wartungsarbeiten an Gleisen, Weichen oder Signalanlagen habe es zur Unglückszeit nicht gegeben.

Der Zug hatte im Münchener ICE-Betriebszentrum in der Nacht vor dem Unglück eine der regulären 20 000-Kilometer-Inspektion durchlaufen, ohne daß ein Defekt festgestellt wurde.Normalerweise werden bei der Inspektion nach Auskunft einer Bahn-Sprecherin auch die Radsätze und Drehgestelle im Unterbau der Züge überprüft.

Die Bochumer VSG Verkehrstechnik GmbH als eine der Hersteller von Radsatzsystemen für die erste Generation von ICE-Zügen hat der Deutschen Bundesbahn und den Behörden ihre Unterstützung bei der Überprüfung der Züge zugesagt.Das Unternehmen habe Anfang der 90er Jahre gemeinsam mit anderen Herstellern die ICE-Züge ausgerüstet, teilte die VSG Verkehrstechnik GmbH am Freitag mit.Die Räder vom Typ "Bochum 84" seien bereits vor dem Einsatz im ICE vier Jahre lang in Intercity-Zügen gelaufen.Bis Eschede habe es keine Unfälle mit dem Material gegeben.

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