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Kirche: Im Namen von Paulus

Lieber Männer bei der Predigt? Eine evangelikale Gemeinde in Bremen lässt eine Gastpastorin nicht mit Talar auf die Kanzel.

„Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still“, soll einst der Apostel Paulus seinem Mitarbeiter Timotheus geschrieben haben. Das ist jetzt fast 2000 Jahre her, aber viele Christen nehmen diese Bibelpassage immer noch wörtlich und akzeptieren keine Frauen im Talar: die katholische Kirche ohnehin nicht, aber auch innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) halten manche Gemeinden nichts von Gleichberechtigung.

Diesen wenig bekannten Sachverhalt hat jetzt ein Konflikt in Bremen sichtbar gemacht. Die strenggläubige St.-Martini-Gemeinde hatte ihre Kirche für eine Trauerfeier zur Verfügung gestellt, die ein Gastpastor halten wollte. Der war jedoch plötzlich verhindert, und auch Gemeindepastor Olaf Latzel hatte keine Zeit. Deshalb sprang eine Pastorin aus einer Nachbargemeinde ein. Doch sie durfte weder Talar tragen, noch die Kanzel nutzen. Denn die Martini-Gemeindeordnung akzeptiert nur männliche Pfarrer und beruft sich dabei auf das überlieferte Paulus-Wort.

Dabei sind sich die EKD-Landeskirchen schon lange einig, dass auch Frauen ordiniert, also ins Pfarramt eingesetzt werden dürfen. „Die letzte Bastion“, sagt eine Sprecherin der Bremischen Kirche, „war Schaumburg-Lippe“: 1991 wurde auch dort die Frauen-Ordination eingeführt. Doch manche Gemeinden versuchen, die mühselig erkämpfte Gleichberechtigung zu unterlaufen: Sie können zwar nicht verhindern, wenn eine Landeskirche einer Theologin nach bestandenen Examen den Titel „Pastorin“ verleiht – aber sie können sich dagegen sperren, eine solche Geistliche als Gastpredigerin zu akzeptieren oder zur eigenen Gemeindepastorin zu wählen, soweit die unterschiedlichen Verfassungen der EKD-Landeskirchen ihnen ein Wahlrecht geben.

Wie viele Gemeinden es weiterhin mit Paulus statt mit der Gleichberechtigung halten, weiß keiner so recht. Innerhalb der EKD scheint es nur eine kleine Minderheit zu sein – sogar unter den evangelikalen, also besonders bibeltreuen Gemeinden, wie deren Dachverband „Deutsche Evangelische Allianz“ auf Anfrage dem Tagesspiegel berichtete.

Juristisch lässt sich die Ungleichbehandlung nur schwer angreifen, denn das Grundgesetz gibt den Religionsgemeinschaften einigen Freiraum. Auch die basisdemokratische Bremische Evangelische Kirche (BEK) sieht keine Handhabe gegen das Kanzelverbot in der Martini-Kirche. Denn die BEK-Verfassung garantiert den einzelnen Gemeinden „Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit“. Der theologische Repräsentant der Landeskirche, Pastor Renke Brahms, verhehlt aber nicht seine Kritik an den konservativen Brüdern: „Frauen haben in der Kirche lange genug unter Ausgrenzung gelitten“, zitiert ihn der Evangelische Pressedienst. Ein EKD-Sprecher wollte den Konflikt dagegen nicht bewerten, weil das Sache der Bremer sei. Die „Bild“-Zeitung hat den Martini-Geistlichen Latzel inzwischen zum „Macho-Pastor“ erklärt. Der wiederum versteht die Aufregung nicht. Dem evangelikalen Pressedienst idea sagte er: „Wer heute die Bibel ernst nimmt, wird in eine fundamentalistische Ecke gedrängt und als rückständig bezeichnet. Dagegen müssen wir uns wehren.“

Die Bremer Trauergemeinde, die mit der Pastorin ohne Talar Vorlieb nehmen musste, reagierte teilweise entsetzt. Ob man noch im Mittelalter sei, fragte jemand, wie sich die Pastorin erinnert. Auch Bremens Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe protestierte dagegen, dass Frauen „derart diskriminiert werden“. Ihr Wunsch: Die Martini-Gemeinde möge „endlich im 21. Jahrhundert“ ankommen.

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