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Moritz Rinke

© dpa

König Fußball: Wie kann man nur in Nordamerika leben?

Am Flughafen in Toronto versuchte Moritz Rinke herauszukriegen, wie Werder Bremen gegen Inter Mailand gespielt hatte, aber auf den Bildschirmen lief nur Eishockey, Basketball und Football.

Ich verstehe überhaupt nicht, wie man in Nordamerika leben kann: Beim Eishockey sieht man doch nie den Puck und weiß immer erst nach der achten Zeitlupe, wie das Tor gefallen ist; beim Basketball fallen ständig Punkte oder Körbe, was auch irgendwie langweilig ist; beim Football verstehe ich überhaupt nicht, wann überhaupt was gefallen ist, außerdem sieht das Spielfeld aus wie eine Exceltabelle.

Es kamen immer mehr Sicherheitskräfte, versammelten sich um die Bildschirme mit ihren Tippzetteln und starrten auf die Exceltabellen, über die Spieler von Hamilton Tiger-Cuts, Toronto Argonouts oder Winnipeg Blue Bombers hin und her hechteten.

„Sorry“, sagte ich. „What’s about the terrorists? We need you at the security-check! While the Blue Bombers are jumping through the exceltabelle, the real terrorists are taking seat in the Lufthansa!“

Dabei weiß ich gar nicht, ob die deutsche Terrorismusangst wirklich existiert oder nur bei den „Spiegel“-Lesern, also bei mir? Laut „Spiegel“ war ja alles klar: Zwei Terroristen sind schon da, die beiden anderen mit „schiitisch-indischem Hintergrund“ reisen über Paris und Köln mit der Bahn nach Berlin, dringen ab 22. November in den Reichstag und nehmen Geiseln.

Mir ist sogar am Flughafen Tegel, im ICE nach Hannover und in der DB-Lounge am Berliner Hauptbahnhof aufgefallen, dass „Spiegel“-Leser kritischer ihre Umwelt wahrnehmen. In der DB-Lounge standen zwei mit ihrem Magazin sofort auf, als ein Mann mit dunklen Augen, der mit zusammengefalteten Händen nur still gesessen hatte, auf Toilette ging und sein Gepäck stehen ließ. Der Innenminister hat gesagt, die Deutschen sollen so weiterleben, aber „wachsam“ sein. Was heißt das denn? Funktioniert Wachsamkeit überhaupt ohne Vorurteile?

Vor einigen Tagen sollte ich eine Laudatio beim „Deutschen Engagementpreis“ halten. An der Garderobe stand eine junge Frau mit „indischem Hintergrund“, sie hatte einen riesigen, rosafarbenen Koffer. Als „Spiegel“-Leser muss man so etwas auffällig finden!

„Sagen Sie mal, sehen Sie diese indisch-schiitische Frau mit dem knallrosafarbenen Koffer?“, fragte ich die Veranstalterin.

„Ja,“, sagte sie, „das ist Sara Nuru, die hält auch eine Laudatio, die war Germany’s Next Topmodel und ist deutsch-äthiopisch.“

„Sie haben aber einen schönen Koffer“, habe ich während der Veranstaltung zu Sara Nuru gesagt. „Na ja“, antwortete sie, „ich muss gleich noch zu Thomas Gottschalk, Wetten, dass..?“

In meiner Laudatio auf den „Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland“ wollte ich Thilo Sarrazin angreifen, indem ich sage, dass vorwiegend liberale Aleviten in Neukölln leben und keine „sunnitischen Fundamentalisten“, ich ließ aber „sunnitisch“ weg, allein aus meinem Unbehagen heraus, die Sunniten gegen die Aleviten herabzusetzen, obwohl laut „Spiegel“ die Al-Qaida fast nur aus Sunniten besteht (Oder war es die heimliche „Spiegel“-Angst, mich mit den Sunniten, also der Al-Qaida, nicht anlegen zu wollen?!).

Der Flug Toronto–Berlin-Tegel lief übrigens auch ohne Security-Check reibungslos, die Winnipeg Blue Bombers haben sogar gewonnen.

Ich kümmere mich jetzt um eine Hausverwaltung und den Terror, den Mieter ertragen müssen. Die „Sunniten“ habe ich vermieden, aber die Hausverwaltung nenne ich: Bohrer & Co! Ich bin der Meinung, Wikileaks sollte dem „Spiegel“ Dokumente über Hausverwaltungen anbieten.

Hier schreiben im Wechsel Jens Mühling, Elena Senft, Christine Lemke-Matwey und Moritz Rinke.

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