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Panorama: Kogge mit Kultur

Intendant Pierwoß segelt für Bremen nach Berlin – in besonderer Mission: Ziel ist die Kulturhauptstadt

Von Carsten Werner

Die „Roland von Bremen“ schiebt sich durch einen Hagelsturm über die Weser – Mast und Segel sind eingezogen, die Besatzung sieht unter einer kleinen Plane fern. Otto Rehhagels Griechen haben gerade für die erste Sensation der Fußball-EM gesorgt. Auf dem Nachbau einer 600 Jahre alten Hansekogge feiern neben Kapitän Dieter Stratmann und seinen fünf Matrosen auch Rehhagel-Freund Klaus Pierwoß, der zum „Bordschreiber“ gewählte Autor Kristo Sagor und Schauspieler in Piratenmontur. Sogar ein kleiner Piratensender ist an Bord.

„Wir fahren nach Berlin!“ – Nach dem gewonnenen DFB-Pokal sind schon wieder Bremer in die Hauptstadt unterwegs. Diesmal kommen sie per Schiff und unter der Leitung des Bremer Theaterintendanten Klaus Pierwoß.

Über Nienburg, Minden, Hannover, Wolfsburg und Brandenburg sind sie auf dem Weg Richtung Reichstag. Bremen will – wie zwölf andere deutsche Städte – 2010 Kulturhauptstadt Europas werden. Die Hansekogge bringt Bremens Bewerbung nach Berlin. Dabei segelt die Kogge die ganze Strecke von Bremen nach Berlin über viele weitverzweigte Gewässer. Die Organisatoren haben einen ausgeklügelten Plan erstellt und eine Route ausgewählt, bei der die Kanäle und kleinen Flüsse immer gerade groß genug sind, damit die Kogge wirklich bis Berlin durchkommt.

Schiffer und Passanten staunen unterwegs über das mittelalterliche Seegefährt. In jeder Stadt wird die „Roland von Bremen“ mit großem Spektakel empfangen – mittelalterliche Folklore, Fresskörbe und gute Wünsche gehen an Bord. Wenn die Schiffsbesatzung aus Matrosen, Schauspielern, Intendant und Radioleuten abends bei der Fahrt durch eine Kleinstadt von einer Blaskapelle empfangen wird, entsteht eine ganz besondere Mischung. Der ganze Troß zieht unter den Fanfarenklängen durch den Ort, vorbei an staunenden Bewohnern.

Unterwegs werden von den Leuten auf dem Holzschiff Projektideen geschmiedet und man träumt vom großen Aufbruch – in eine Zeit, in der Künstler die großen Schiffe wenigstens ein bisschen mit lenken können, in der jede Politik auch Kulturpolitik sei: Genau so hat sich das der Schweizer Kulturmanager Martin Heller vorgestellt. Er hat als Bremer Bewerbungs-Intendant ein 320 Seiten starkes Buchprojekt verfasst.

Die Kogge-Reise macht den Anfang: Das Programm haben Stadttheater-Intendant und freie Szene gemeinsam mit dem Radio-Bremen-Redakteur Otmar Willi Weber konzipiert. Neben Künstlern kommen Politiker, Wirtschaftsvertreter, Stadtentwickler an Bord, es wird getalkt und debattiert. Radio Bremen sendet live per Satellit und dokumentiert die Reise auf einer „Piratensender-Homepage“.

Auch technisch ist die Unternehmung ein Abenteuer: „Noch nie zuvor ist eine Kogge nach Berlin gereist,“ erzählt Kapitän Dieter Stratmann. Dass es mit dem dickbäuchigen Frachtschiff nicht, wie im Mittelalter über Nord- und Ostsee geht, macht die Sache nicht einfacher. Die Kogge bräuchte zum Segeln achterlichen Wind, Rückenwind.

Das kann von Bremen nach Berlin Monate dauern – und die Fracht ist verderblich: am 23. Juni will Bremens Bürgermeister Henning Scherf die Bewerbung im Auswärtigen Amt abgeben. Man fährt also mit Diesel, das macht auch das Manövrieren auf Flüssen, Kanälen und in engen Schleusenkammern einfacher.

Für die Crew ist das Millimeterarbeit, manchmal knirscht’s – bei Wolfsburg gehen heute 150 „Piraten“ an Bord, um den Tiefgang zu verstärken. Sonst wäre an der Schleuse Sülfeld Endstation.

Auch in Berlin braucht die Roland noch mal Hilfe. Die künstlerische Besatzung hofft auf kräftigen Rückenwind von Berliner Kollegen.

Über viele Gewässer, darunter winzige und verzweigte Kanäle, segelt Klaus Pierwoß von Bremen nach Berlin. Vor Brücken muss der Mast des Holzschiffes flach gelegt werden.

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