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Film: Kritik an Polanskis Festnahme wächst

Die Festnahme des Star-Regisseurs Roman Polanski in der Schweiz war minutiös vorbereitet. "Ein großer Cineast in der Polizeifalle" – die Kritik daran wird immer lauter.

Die Festnahme des Meisterregisseurs Roman Polanski wegen eines mehr als 30 Jahre alten Verfahrens war minutiös und geheim vorbereitet. Das berichten Schweizer Medien. Nach einem Bericht des Tages-Anzeigers aus Zürich hatte die Staatsanwaltschaft in Los Angeles das Ersuchen, den 76-Jährigen bei seiner Einreise in die Schweiz zu festzunehmen, am vergangenen Donnerstag gestellt. Über das US-Justizministerium erreichte das Begehren die Schweizer Behörden. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Los Angeles, Sandi Gibbons, sagte der Zeitung, die  Zusammenarbeit mit der Schweiz sei ausgezeichnet gewesen, die Behörden hätten sich "sehr kooperativ" verhalten.

Die Information von Polanskis Besuch zum Film-Festival in Zürich hatte Gibbons eigenen Angaben nach dem Internet entnommen. Bereits zweimal habe die Staatsanwaltschaft von Reisen Polanskis in Länder erfahren, mit denen die USA ein Auslieferungsabkommen hätten. Der Regisseur müsse aber jeweils von den Bemühungen der Behörden erfahren haben und sei schließlich nicht gereist. Ähnlich hatte sich auch das zuständige Justizministerium in Bern geäußert.

Nach seiner Verhaftung soll Polanski zwei Anrufe getätigt haben. Seinen Anwalt habe er angerufen und Karl Spoerri, den Kodirektor des Festivals, berichtet die Zeitung weiter. Polanski habe sich bei Spoerri für die Umstände entschuldigt, die er dem Festival bereite.

Die Zeitung Blick berichtet, schon vor dem Ersuchen der USA habe die Kantonspolizei das Ministerium auf den bevorstehenden Besuch Polanskis in Zürich hingewiesen. Das Ministerium habe dann das eingegangene Haftersuchen streng vertraulich behandelt - um den  Verhaftungserfolg nicht zu gefährden. Der Strafverteidiger Lorenz Erni aus Zürich traf Polanski laut Blick noch in der Nacht hinter Gittern. "Herr Polanski war sehr müde. Er wirkte gefasst, zugleich aber auch schockiert", sagte Erni der Zeitung.

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte im Schweizer Fernsehen, die USA hätten keinen Druck auf die Schweiz ausgeübt. "Wir haben immer erst im Nachhinein erfahren, dass er hier gewesen sein soll", sagte sie als Begründung, warum der Zugriff erst jetzt erfolgte. Vergewaltigung verjähre weder in den USA noch in der Schweiz, sagte die Ministerin. Das habe die Justiz zum Handeln gezwungen. Widmer-Schlumpf verteidigte die Rechtsstaatlichkeit des Vorgehens. Sie verstehe auch nicht, dass Künstler, die sonst immer die Moral sehr hochhielten, in diesem Fall anders reagierten.

Polanskis Verhaftung hat scharfe Kritik ausgelöst. Besonders die Grünen im Schweizer Parlament sowie Künstlerkreise kritisieren das Vorgehen der Schweizer Behörden. Zahlreiche internationale Künstler sowie das Filmfestival Cannes unterzeichneten eine Petition zur Freilassung Polanskis. Darunter sind nach französischen Presseberichten Costa-Gavras und Tony Gatlif, Wong Kar-wai, Fanny Ardant, Ettore Scola, Michele Placido, Giuseppe Tornatore, Monica Bellucci, Gilles Jacob und Bertrand Tavernier. Die Künstler nannten es "unannehmbar, dass eine internationale Kulturveranstaltung zur Ehrung eines der größten zeitgenössischen Cineasten in eine Polizeifalle verwandelt" werden könne.

In der Boulevardzeitung Blick hieß es am Montag, die Schweiz habe Grund, sich zu schämen. Das Lob der Amerikaner über die kooperativen Schweizer "tut richtig weh", sagte der Kommentator. "Extrem kooperativ sind Leute, die deutlich mehr tun als sie müssten, weil sie was gutmachen wollen. Weil sie jemanden, den sie verärgert haben, milde stimmen wollen." Wer das bei der Polanski-Affäre bestreiten wolle, mache sich lächerlich, schrieb die Zeitung mit Hinweis darauf, dass die Schweiz mit den USA etwa im Streit um hinterzogene Steuern Konzessionen gemacht habe.

Unter der Überschrift "Gerechtigkeit für Polanski" schreibt der Tages-Anzeiger, es gebe gute Gründe, weshalb Polanski eher heute als morgen freikommen sollte. Heute mache sich sein Opfer, eine mittlerweile dreifache Mutter, für ihn stark. Polanski, so zeigten drei Jahrzehnte, sei für niemanden eine Gefahr. "Ein faires Verfahren gegen ihn ist jedoch nach so langer Zeit und mit Fehlern in der Untersuchung kaum mehr möglich", schreibt die Zeitung.

Auch polnische Filmemacher machten gegen die Verhaftung von Roman Polanski mobil. In einem Schreiben an die Regierung hätten sie um eine "schnelle Intervention" gebeten, sagte der Chef der polnischen Filmemachervereinigung, Jacek Bromski. Für Unverständnis sorgte die Festnahme bei vielen auch deshalb, weil das damalige Opfer dem Regisseur längst öffentlich verziehen hat.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner nahm mit seiner schweizerischen Amtskollegin Micheline Calmy-Rey Kontakt auf und forderte einen schnellen "günstigen Ausgang" des Falls. Polanskis Rechte müssten vollständig geachtet werden, erklärte das Außenministerium in Paris. Der französische Botschafter habe sich an die Schweizer Behörden gewandt, um "so schnell wie möglich das konsularische Besuchsrecht auszuüben".

Der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand hatte am Sonntag von einer "Falle" gesprochen, die Polanski gestellt worden sei. "Man kennt die Bedingungen, unter denen das passiert ist. Und genauso, wie es ein großzügiges Amerika gibt, das wir lieben, gibt es auch ein gewisses Amerika, das Angst macht. Und dieses Amerika hat uns heute sein Gesicht gezeigt", sagte Mitterrand.

Der französisch-polnische Filmemacher hatte 1977 zugegeben, in der Villa seines Freundes Jack Nicholson ein Mädchen mit Champagner und Drogen zum Sex verführt zu haben. Während des Verfahrens war er dann aber 1978 nach Frankreich geflüchtet und hatte die USA seither gemieden. Auch zur Oscar-Verleihung im Jahr 2003, wo er für "Der Pianist" als bester Regisseur ausgezeichnet wurde, wagte er die Einreise nicht.

Die Anwälte von Roman Polanski fordern von der Schweiz die Freilassung des Regisseurs. Es scheine sich ein "Problem der Verjährung" zu stellen, sagte Polanskis Anwalt Hervé Temime der Pariser Zeitung Le Figaro. Zudem gehe es um einen "Fall, in dem das mutmaßliche Opfer des Vergehens seit Jahren seine Klage zurückgezogen" habe.

Roman Polanski stelle "absolut keine Gefahr für die öffentliche Ordnung" dar, sagte Temime. "Die menschlichen Schäden dieser Festnahme sind beträchtlich. Es erscheint mir menschlich unerträglich, dass ein 76-jähriger Mann mehr als 30 Jahre nach der Tat (...) auch nur einen Tag Gefängnis erleiden soll." Er wundere sich über die Festnahme, zumal Polanski "seit vielen Jahren sehr regelmäßig" in die Schweiz fahre, wo er in Gstaad ein Haus besitze.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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