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Leben im Erdloch: Warten auf den Weltuntergang

Sie ernähren sich streng vegan. Neben Honig vor allem von Sonnenblumenkernen und Graupen, von denen gleich mehrere Säcke in Vorratsraum und Küche stehen. 30 Russen haben sich in einer Höhle vergraben.

Die Veganer leben in unterirdischen Zellen, die sie selbst gegraben haben. Zwei weitere Zellen dienen als Schlafräume, wo Männer und Frauen getrennt voneinander nächtigen, eine drittes Erdloch als Bethaus.

Die Horrorkulisse existiert real: in Nikolskoje, einem Dorf im Gebiet Pensa, 500 Kilometer südöstlich von Moskau, wo momentan bereits Fröste von minus fünfzehn Grad herrschen. Dort haben sich etwa dreißig Angehörige einer Sekte in einer selbst gegrabenen Höhle unter der Erde eingemauert, um auf den Weltuntergang zu warten. Unter ihnen sind mindestens vier Kinder, das jüngste – ein Mädchen – ist knapp anderthalb Jahre alt. Den Weltuntergangstermin, Mai 2008, will Sektenführer Pjotr Kusnezow aus den Sternen abgelesen haben.

Die Gruppe hält seit Tagen ganz Russland in Atem. Vor allem, weil Kusnezow im politischen Wochenrückblick des Staatssenders RTR am vergangenen Sonntag drohte, seine Gemeinde werde sich in die Luft sprengen, sollten Ordnungskräfte versuchen, die unterirdische Festung zu stürmen. Eigens dazu habe man mehrere Gasflaschen mit in die Unterwelt genommen. Kusnezow selbst wandelt momentan jedoch noch auf der Oberwelt: als Patient in einer geschlossenen Psychiatrie, die ihn wegen Schizophrenie behandelt. Er selbst sieht sich allerdings als Prophet und geistliches Oberhaupt der wahren orthodoxen Christen. Erlösen könne die Menschheit nur die Rückkehr zum Urchristentum. Strom und heißes Wasser sind daher als Teufelszeug ebenso streng verboten wie Bildung und Geld. Boris Kulagin, der für Pensa in der Duma sitzt, hält Kusnezow zwar für einen armen Irren, seine Drohungen aber seien ernst zu nehmen: Unter den Sektenmitgliedern seien ehemalige Militärs, die auch Waffen besitzen.Von Jagdgewehren, die deren Besitzer nicht einmal beim Beten ablegten, berichteten auch Mitarbeiter von Geheimdiensten, die mit den Sektenmitgliedern hin und wieder über das Belüftungssystem kommunizieren.

Durch Lüftungsschächte will man eventuell auch eine Art Lachgas blasen, um die Sektenmitglieder kurzzeitig zu betäuben und dann gewaltsam zu befreien. Noch gibt es dafür jedoch kein grünes Licht. Russland hat die 130 Toten bei der Befreiung der Geiseln im Musical-Theater „Nordost“ 2002 in Moskau noch nicht vergessen. Die meisten starben, weil durch die Lüftungsschächte dort ebenfalls Gas geblasen wurde. Elke Windisch

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