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Panorama: Leiche öffentlich seziert

Hagens macht Ankündigung wahr – Brust ins Publikum gereicht

London (mth). Der umstrittene Anatom Gunther von Hagens, Macher der „Körperwelten“Ausstellung, hat am Mittwoch abend in London wie angekündigt öffentlich eine Leiche seziert. Er setzte sich dabei über ein Verbot der englischen Behörden hinweg. Die Polizei schritt nicht ein.

Wissenschaftskollegen hielten Vorträge, als von Hagens das Skalpell ansetzte, um die Leiche zu sezieren. Die Veranstaltung glich eine Anatomie-Vorlesung. Unter anderem wurde auf einem Silbertablett ein Teil des Brustkorbes des Leichnams im Publikum herumgereicht.

Zuvor hatte Gunther von Hagens vor dem Gebäude in der Brick Lane in strömendem Regen eine chaotische Pressekonferenz abgehalten. „Ich lasse mich nicht einschüchtern“, sagte er, „ ich habe zwei Jahre im Gefängnis verbracht, als ich gegen den sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei protestierte“. Unter dem Beifall von Zuschauern forderte er die Behörden auf, für eine Demokratisierung der Anatomie „die Türen zu öffnen“. Nach seiner Rede bot sich eine Zuschauerin spontan an, bei der Sektion als Assistentin mitzuwirken.

In einem Interview mit der BBC vor seinem Auftritt sagte Gunther von Hagens: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Behörden die Leute hier bevormunden wollen.“ Die Briten würden nicht wie freie Bürger, sondern wie Untertanen der Königin behandelt.

Um nicht zu viel juristische Angriffsfläche zu bieten, entschied sich von Hagens, die Leiche eines 72-jährigen Deutschen und nicht – wie ursprünglich geplant – den Leichnam einer 33-jährigen Deutschen zu öffnen. Die Todesursache der Frau war nicht eindeutig geklärt, was gegen eine öffentliche Sektion gesprochen hätte.

Nach Angaben des britischen Gesundheitsministeriums droht von Hagens eine Geldstrafe oder eine bis zu dreimonatige Gefängnisstrafe wegen des Verstoßes gegen das Anatomie-Gesetz.

Der vom „Daily Telegraph“ am Mittwoch als „Frankenstein“ titulierte von Hagens will sein öffentliches Spektakel im nächsten Jahr in München wiederholen.

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