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Ungleiche Verteilung. Diese Luftaufnahme der Polizei zeigt, dass sich im unteren, südlichen Kreis – der Todeszone – die Menge drängte, während im Gebiet des nördlichen Kreises Platz war. Warum drängten die Raver nach Süden, wo doch im Norden die Musik spielte? Foto: dpa

© dpa

Loveparade-Ermittlungen: Einige Tote wurden doch im Tunnel gefunden

Stück für Stück nur setzt sich das Bild zusammen, das am Ende zeigen soll, wie es zur Loveparade-Katastrophe gekommen ist – und wie sie abgelaufen ist. Am Samstag findet ein großer Trauergottesdienst in Duisburg statt.

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Stück für Stück nur setzt sich das Bild zusammen, das am Ende zeigen soll, wie es zur Loveparade-Katastrophe gekommen ist – und wie sie abgelaufen ist. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) und der Polizeiinspekteur des Landes, Dieter Wehe, hatten am Mittwoch vor allem die Veranstalter verantwortlich gemacht. Dabei wurde auch gesagt, dass die unmittelbar während der Loveparade verstorbenen Menschen im Bereich der Treppe gefunden worden seien. Jene Treppe, die schlussendlich den Ausschlag für die Tragödie gegeben haben könnte. Denn dort versuchten viele, der Enge zu entkommen, was aber möglicherweise auch dazu geführt hat, dass die Menge immer mehr zu dieser Treppe geströmt ist und so der Druck dort enorm gestiegen ist. Fraglich ist, wo die sieben Personen gefunden wurden, die erst in den Stunden und Tagen nach der Loveparade gestorben sind, weil sie ihren schweren Verletzungen erlagen. Wurden die auch an der Treppe zerquetscht?

Am Donnerstag bestätigte die ermittelnde Staatsanwaltschaft Duisburg, dass diese Menschen nicht an der Treppe gefunden worden sind. „Die wurden im überdachten Bereich, also im Tunnel, gefunden“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein Beleg dafür, dass es eben nicht nur an der Treppe unerträglich eng war, sei das aber nicht. „Vermutlich wurden die Personen nur dorthin transportiert, um in dem Tunnel, der mittlerweile leerer war, medizinisch versorgt zu werden“, sagte der Sprecher. Um wie viele der sieben es sich handelt, wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen. „Das sind alles vorläufige Erkenntnisse, die noch genauer untersucht werden müssen“, heißt es.

Eine Luftaufnahme der Polizei sowie eine Aussage von Polizeiinspekteur Wehe legen nahe, dass neben vielen Fehlern der Politik, der Stadt und des Veranstalters letztlich eine örtlich eingeschränkte Massendynamik Ursache der Katastrophe gewesen sein könnte. Das nebenstehende Foto zeigt im unteren, südlichen Kreis die Zusammenballung, wo die Todesopfer zu beklagen waren. Weiter oben dagegen, wo es Richtung Musik geht, ist unerklärlicherweise relativ viel Platz. Eine Frage stellt sich: Warum strömten Raver zurück nach Süden? Inspekteur Wehe sagte am Mittwoch, plötzlich seien erste Raver verbotenerweise über den Zaun vor der Treppe am Tunnel geklettert, seien über die Stufen nach oben gestürmt und hätten von dort der unten stehenden Menge das Victory-Zeichen gezeigt. Möglicherweise orientierten daraufhin viele Raver ihre Aufmerksamkeit Richtung Treppe und drängten dorthin, mit fatalen Konsequenzen.

Die veröffentlichten Zahlen der Loveparade-Teilnehmer im Ruhrgebiet sind laut „WAZ“ von Beginn an gefälscht worden. So hieß es, in Essen seien vor drei Jahren 1,2 Millionen Menschen gewesen. Nach Dortmund sollen 1,6 Millionen gekommen sein, in Duisburg war von 1,4 Millionen die Rede. Keine dieser Zahlen sei korrekt, alle seien maßlos übertrieben, gehe aus einem „streng vertraulichen“ Dokument des Loveparade-Veranstalters Lopavent hervor. In dem Papier heißt es, die tatsächlichen Zahlen hätten „keinen Bezug zur offiziellen Besucherzahl für mediale Zwecke“. Die „öffentliche Besucherzahl“ werde „nach anderen Kriterien“ als der Wirklichkeit ermittelt. Wie es in dem Papier weiter heißt, wird zur Ermittlung der „öffentlichen Besucherzahl“ die Zahl der tatsächlich erwarteten Besucher verdreifacht. Die tatsächliche Zahl der Loveparade-Besucher wurde damit von allen Stellen bewusst verschwiegen und die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen versorgt. In Duisburg hielt Lopavent die Verantwortlichen der Stadt an, die tatsächlichen Angaben unter allen Umständen geheim zu halten: „Eine Veröffentlichung dieser Zahlen könnte dem öffentlichen Ansehen der Veranstaltung immensen Schaden zuführen, was sicher weder im Interesse des Veranstalters liegt noch im Interesse der Stadt Duisburg.“

Zur Trauerfeier für die 21 Todesopfer werden am Samstag Zehntausende Besucher in Duisburg erwartet. Der ökumenische Gedenkgottesdienst soll aus der Salvatorkirche live an viele Orte der Stadt übertragen werden. Größte Ausweichfläche ist die Duisburger Fußballarena. Die ARD berichtet live.

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