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Alle Tests in dem Lübecker Restaurant blieben bislang negativ. Die Suche nach der Ehec-Quelle geht weiter.

© dapd

Lübeck: Gastwirt: Lokal wurde ohne Befund untersucht

Offenbar blieben die Untersuchungen in einem Lübecker Restaurant ohne Befund. Eine Berlinerin, die zur fraglichen Zeit im "Kartoffelkeller" war, liegt inzwischen mit einer Ehec-Infektion im Krankenhaus.

Am Abend geht der Anruf einer verzweifelten Leserin in der Tagesspiegel-Redaktion ein: Eine Berlinerin möchte wissen, an wen sie sich wenden kann. Denn sie hat Angst. Ihre Freundin liegt mit einer Ehec-Infektion in der Charité. Mitte Mai sind sie und ihre Freundin in dem Restaurant in Lübeck eingekehrt, das die Ehec-Fahnder nun als mögliche Quelle des dramatischen Ausbruchs ins Visier genommen haben.

Diese Frau, ihr Name soll hier nicht genannt werden, würde sich gerne an die Behörden wenden. Sie möchte erzählen, was sie und ihre Freundin in dem Restaurant gegessen haben. Schließlich könnte das zur Aufklärung beitragen, wie es zu der Epidemie kommen konnte. Doch eine kurze Recherche des Tagesspiegel ergibt: Niemand ist zuständig - und an einem Samstagabend schon gar nicht erreichbar. Beim Robert-Koch-Insitut geht nur noch der Pförtner ans Telefon.

Das Krisenmanagement der zuständigen Behörden ist schon zuvor heftig in Kritik geraten. Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité kritisierte die Arbeit des RKI. Das Universitätsklinikum habe erst in dieser Woche Fragebögen für die Patienten bekommen, sagte Ulrich Frei dem Tagesspiegel. „Das reicht nicht. Man hätte die Patienten interviewen sollen.“

Die Untersuchungen in dem betroffenen Lokal blieben indessen offenbar ohne Befund. Aber der Gastronom schließt eine verseuchte Lieferung nicht aus. Bei drei Gruppen, die in demselben Restaurant gegessen haben, sind später Ehec-Fälle aufgetreten. Das Lokal wurde von den Gesundheitsbehörden bereits untersucht - nach Angaben von Gastronom Joachim Berger ohne Befund.

Nach Informationen der „Lübecker Nachrichten“ könnten sich bis zu 17 Patienten in Bergers Traditionslokal „Kartoffelkeller“ angesteckt haben. Der Gastronom sagte am Samstag dem ZDF, bei den drei Gruppen handele es sich um eine dänische Reisegruppe, eine Gewerkschaftsgruppe und eine Familie, die Mitte Mai in seinem Lokal zu Gast gewesen seien. Serviert worden sei damals unter anderem Steak und Salat. Aus der Gewerkschaftsgruppe ist eine Frau gestorben, zwei sind schwer erkrankt.

Anfang der Woche seien bereits Hygiene- und Reinigungspläne sowie Lieferwege kontrolliert worden, berichtete Bergers Küchenchef Frank Michel. Nach Bergers Worten stehen noch die Ergebnisse von Stuhlproben aus, die alle Mitarbeiter hätten abgeben müssen. Sie sollen Montag vorliegen. Michel betonte, die Belegschaft werde mit demselben Essen versorgt wie die Gäste, und niemand sei erkrankt. Beide schließen nicht aus, eine verseuchte Lieferung bekommen zu haben. Die Ware komme über Zwischenhändler vom Großhandel in Hamburg, berichtete Berger. „Wir sind als Restaurant selbst Endverbraucher und von unseren Lieferanten abhängig“, sagte Michel.

Das Kieler Verbraucherministerium sieht in dem Lokal bislang „keine heiße Spur“, wie Ministeriumssprecher Christian Seyfert sagte. Untersuchungsergebnisse des zuständigen Robert Koch-Instituts (RKI) lägen bislang nicht vor. Eine RKI-Sprecherin bestätigte, dass ein Team zu Kontrollen in Lübeck war.

Selbst mehrere Wochen nach einer Ehec-Infektion könne der gefährliche Darmkeim an einer Quelle noch nachgewiesen werden, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller. Solange die Umgebung das Wachstum eines Erregers begünstige, sei er nachweisbar.

Die EU-Kommission will Deutschland bei der Suche nach dem Ehec-Ausbruchsort helfen und künftig stärker zusammenarbeiten. EU-Gesundheitskommissar John Dalli bot an, EU-Experten zu schicken.

Außerdem soll eine eigene Ehec-Internetplattform bis Montag auf die Beine gestellt werden, über die Behörden gezielt Informationen austauschen können. Unter anderem sollen zudem Hinweise auf Behandlungsformen vom RKI ins Englische übersetzt und den EU-Staaten bereitgestellt werden. Der Ausbruch soll am Montag auch eines der Themen beim Treffen der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg werden.

Bundesweit gibt es inzwischen rund 2500 Menschen, bei denen der Durchfallerreger Ehec vermutet wird oder bereits nachgewiesen wurde. Die Zahl der Ehec-Infektionen stieg am Wochenende weiter. Allein in Niedersachsen wurden am Samstag 458 Fälle und Verdachtsfälle gezählt - 40 mehr als am Vortag. Mindestens 520 Patienten leiden im ganzen Land an dem lebensgefährlichen HU-Syndrom (HUS). Daran sind in Deutschland mindestens 18 Menschen gestorben.

Bei der Einfuhr in die USA werden aus Sicherheitsgründen Tomaten, Gurken und Salat aus Deutschland und Spanien streng kontrolliert. Russland hatte den Import von Gemüse aus der EU komplett gestoppt. In Italien gibt es mittlerweile einen ersten Ehec-Verdachtsfall. Ein deutscher Tourist leide an einer schweren Durchfallerkrankung.

Nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation gibt es Ehec-Infektionen zudem in Österreich, Tschechien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz, Großbritannien und den USA. Von den meisten Patienten ist bekannt, dass sie zuvor in Deutschland waren. (mit dpa)

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