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Ein glamouröses Paar. L’Wren Scott mit Mick Jagger.

© AFP

L'Wren Scott: Schwarze Seide bestimmte ihr Leben - und ihren Tod

Der Songschreiber und Komponist Phil Steele erzählt, welche Bedeutung schwarze Seide für L'Wren Scott hatte. Und dass sie nicht wollte, dass Mick Jagger ihre Schulden begleicht.

Es war ein schöner warmer Sommernachmittag 1987. Ich saß in meinem Büro bei Warner-Chappell-Music und wartete auf meinen 3-Uhr-30-Termin und auf einen nicht enden wollenden Strom von Fashion-Models, die von einem Chart-Erfolg träumen. Zur verabredeten Zeit taucht eine amazonenhafte Erscheinung auf der Schwelle auf, herausgeputzt in einem ultraschicken Designer-Outfit. Während sich meine fitte Ein-Meter-achtzig-Erscheinung aufzustehen bemüht und sich bis nahe an ihr Kinn erhebt, streckt sich mir ein unglaublich langer von einer Cartier-Uhr beladener Arm mit einer perfekt manikürten Hand mit einem unwiderstehlichen Lächeln entgegen. „Hi, ich bin L’Wren, ich modele für die Thierry- Mugler-Pelzlinie.“

Der Song "Black Satin"

Während ich mir vorstelle, wie sie in einen Silberfuchs gehüllt aussähe, gelingt mir irgendwie ein scheues „willkommen bei Warner Bros“, in der Hoffnung, dass sie mich mit einen Hollywoodmogul auf Besuch verwechseln würde. Während ich versuche, Fassung zu wahren und mich daran zu erinnern, dass ich zumindest ein bisschen was über Musik wusste, in der High- School erfolgreich Football spielte, und eigentlich nicht von der Anwesenheit dieser Traumfrau überwältigt werden sollte.

Dieses Treffen war der Anfang einer Produzenten-Künstler-Beziehung, die zu L’Wren Scotts erster und einziger Studio-Performance führen sollte – einer so viel versprechenden. Einen Monat zuvor hatte ich den Song, den ich „Black Satin“ betitelte, dem englischen Superstar Sade vorgespielt, die in der Stadt war, um ihr neues Album „Stronger Than Pride“ aufzunehmen. Mit ihrem kultivierten Jazzpop, dem souligen Beat und gefühlvollen Saxofon-Solo stand Sade auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Niemand Besserem hätte ich diesen Song vorspielen können. „Ein sehr schönes Stück, Phil, aber Sade und das Team schreiben alle Songs selber“, war die höfliche Antwort.

Suche nach der Diva

Da war ich nun, ich saß auf einem großartigen Stück und hatte niemanden, die es singen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war es keine einfache Aufgabe, eine englischsprachige Sängerin in Paris zu finden, schon gar nicht eine, die aussieht und sich verhält wie eine Diva. Doch endlich nach Wochen der Suche traf ich L’Wren Scott, mit ihrer Stimme, ihrem coolen und perfekten Pseudonym, ihrer eigenen modischen Interpretation von LuAnn, dem Namen, den sie in Utah zurückgelassen hatte. Eine kurze Probe am Klavier, und ich wusste, dass wir tatsächlich ein Model gefunden hatten, das singen konnte.

L’Wren verband sich sofort mit dem Song. Der Titel reflektierte ihr Bild von sich selbst als junges weltgewandtes Model in der Stadt der Lichter. „Black Satin“ sollte L’Wrens künftige Karriere als Modedesignerin fördern, indem der Song die Kreationen ihrer gleichnamigen Modelinie prophezeihte, die auf dem „Little- Black-Dress“-Thema beruhte. Entweder inspiriert durch das Lied oder ihre eigenen Instinkte gab es viel schwarzes Satin in ihren Designs, und sie sah toll darin aus. Warum gibt es keine Erwähnung, kein Wort, das über L’Wrens kurzen Flirt mit dem Musikbusiness und ihr verborgenes Talent als Sängerin verloren wurde?

Der Song erfuhr große Wertschätzung in Frankreich, im jazzorientierten Radio, und passte perfekt in die rauchige Atmosphäre des „Les Baines Douches“ des heißesten Clubs in Paris, dessen Klientel niemanden Geringeres als Mick Jagger und die Rolling Stones umfasste. Aber Warner schaffte es nicht, dass der Track den Sprung ins Pop-Radio machte und die Plattenfirma war eher zurückhaltend, was eine Investition in eine lokale amerikanische Künstlerin betraf, während das Plattenlabel bereits mit großen Stars von seinem US-Label überschwemmt wurde.

Um für die aufblühende Sängerin alles noch schlimmer zu machen, hatte ich plötzlich Riesenerfolg als Songwriter mit der William- Pitt-Single, „City Lights“, einem Nummer-eins-Hit überall in Europa, der aus dem Pacha Club auf Ibiza heraus Europa eroberte. Ich packte schnell meine Taschen und zog nach London, wo ich einen siebenstelligen Fünf-Jahresvertrag mit Polygram unterschrieb und meine eigene Coverversion unter dem Künstlernamen Last Tango aufnahm.

Die melancholischen Zeilen

Jahre später schrieb ich immer noch Songs für andere Künstler, fürs Fernsehen und für Spielfilme, darunter den Grammy-nominierten Soundtrack für Quentin Tarantinos „Kill Bill“. Erst kürzlich entdeckte ich zu meinem Erstaunen, dass meine frühere Künstlerin L’Wren Mick Jaggers Freundin war und ihre eigene Modelinie hatte, die geradezu überlief mit Designs aus schwarzem Satin.

Aber mit den drastischen Veränderungen in L’Wrens Leben hatte ich das Gefühl, dass die melancholischen Zeilen des Liedes verschwinden müssen. Deshalb überarbeitete ich den Text, so dass er die märchenhafte Traum-Beziehung mit ihrem Freund Mick Jagger ansprach – eine, die sie nach fast 13 Jahren verzweifelt versuchte, aufrecht zu erhalten, wie enge Freunde der Fashionista sagen. Wie traurig und ironisch, dass sich in Wirklichkeit die dunkle Originalversion des Liedes durchsetzen würde und dass das die Version ist, die – nachdem der Original- Track aus den Archiven ausgegraben und abgestaubt wurde – für die Nachwelt geblieben ist.

Ähnlich wie mit Mode, hatte die 1,90 Meter große, statuengleiche Brünette einen tadellosen Musikgeschmack und war stets Perfektionistin. Ihre Performance zu „Black Satin“ in einem Branché-Theater nahe der Bastille ein Jahr nach der Aufnahme war makellos. Der Auftritt weckte sogar die Aufmerksamkeit von Elton John. Zwei Jahre später rief ich L’Wren von London aus an, nur um kurz Hallo zu sagen und mich zu entschuldigen, dass ich für sie keinen Plattendeal klargemacht hatte. Zu meiner Verblüffung fand ich heraus, dass meine frühere Künstlerin „Black Satin“ auf der Welttournee des „Rocket Mans“ (Elton John) performt hatte.

Nachdem sich ihre wahnsinnig erfolgreiche Modelkarriere in Paris dem Ende zuneigte, sagte L’Wrens großes Interesse an Filmen ihr, dass es Zeit sei, nach Hollywood zu ziehen. Einmal in Los Angeles angekommen, halfen ihr Talent, Charme und bloße Anwesenheit, sich in die richtigen Kreise zu manövrieren; sie wurde bald Stylistin für Spielfilme und arbeitete mit A-Promis wie Madonna, Angelina Jolie, Sarah Jessica Parker, Amy Adams und Nicole Kidman zusammen. Supermodel Naomi Campbell pries L’Wren als „Inbegriff von Eleganz und Femininität“.

Hinter allem Glitzer kämpfte L'Wren Scott mit Problemen

L’Wrens tragischer und früher Tod schickte nicht nur Schockwellen durch die Film- und Modeindustrie. Alle, die sie persönlich kannten, sind untröstlich, eingeschlossen mich selbst, ihr Ex-Produzent. Noch bin ich ungläubig über das, was in ihrem Luxus-Apartment in der 11th Avenue geschehen ist, wo sie leblos gefunden wurde, ein schwarzes Satin- Tuch um ihren Hals – Selbstmord.

Im Unklaren über ihre finanziellen Schwierigkeiten, hatte ich schon nach einem Studio in Paris gesucht, in dem wir die Aufnahme machen könnten. Mehr als 25 Jahre nach unserer ersten Aufnahme-Session war ich mir sicher, dass das Designerin gewordene Model es genießen würde, noch einmal vor einem Mikrofon zu stehen. Das einzige Zeichen dafür, dass es Ärger im Paradies geben könnte, war L’Wrens kurzfristige und überraschende Bekanntmachung, dass sie nicht an der New York Fashion Week teilnehmen würde, die am Valentinstag beginnen sollte. L’Wren Scott, der vollendete Profi, versagt einfach nicht darin, ihre Kleider rechtzeitig für eine große Show fertig zu bekommen – das war die Ausrede, die sie der Presse gab.

Hinter all dem Glitzer und Glamour kämpfte L’Wren mit Problemen. Nur ihr engster Freundeskreis wusste, dass die sich anhäufenden Schulden ihrer in London ansässigen Firma LS Fashion Ltd ihr schwer aufs Gemüt schlugen. Ein Angebot von Mick Jagger, ihre Firma zu retten, lehnte sie ab. Absolut unabhängig und hoch respektiert unter ihren Kollegen wollte sie nicht nur eine weitere „Star-Designerin“ sein.

Neben meinen Plänen, L’Wren nach all den Jahren zurück ins Studio zu locken, dachte ich, sie wäre die perfekte Stylistin für die Verfilmung meines Buches „City of Lights“, das die letzten Tage von Jim Morrison in Paris nacherzählt. Der Film wird in den engen Straßen des Quartier Latin gedreht – direkt unter den großen Fenstern von L’Wrens geräumigem, großzügig möblierten Zufluchtsort auf der Rive Gauche. Zusätzlich freute ich mich darauf, während des Drehs einige von L’Wrens berühmten, saftigen gebratenen Hühnchen zu probieren – unerlässliches Sonntagsritual bei „Chez L’Wren“.

Sie stand im Schatten ihres Partners Mick Jagger, einer Ikone, und war absolut hingebungsvoll und hoffnungslos verliebt. Es ist nur passend, dass ihr kurzes musikalisches Intermezzo in ihr Vermächtnis mit eingeschlossen wird – eine weitere schimmernde Facette im komplexen Leben dieses vielfach talentierten Juwels von einer Frau. Sie liegt nun schweigend, aber ihre süße, schwermütige Stimme wird für immer in diesem schicksalhaft traurigen Lied fortleben:

Oh Satin

Why did it happen?

That’s life in Manhattan

In the night.

Der Autor ist Songschreiber, Sänger, Filmkomponist und Autor. Er lebt und arbeitet in den USA und Europa. Derzeit lebt er in Berlin. Übersetzung: Maria Fiedler und Andreas Oswald

Phil Steele

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