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Mafia: Italiens Polizei läutet die Glocken

Nur drei Wochen nach dem letzten Erfolg ging wieder ein großer Mafiaboss ins Netz – Berlusconi weiß das für sich zu nutzen.

Die Spezialkommandos der italienischen Polizei haben es sich am Samstag Abend in Palermo nicht nehmen lassen, die Verhaftung des – beinahe – letzten großen Mafiabosses zu feiern. Sie hatten den vor drei Jahren untergetauchten, erst 28-jährigen Giovanni Nicchi mitten in der sizilianischen Hauptstadt aufgespürt, in einer Wohnung nahe dem Justizpalast. Und nun fuhren sie ihn im Triumph durch die Stadt, hin zu jenem Baum, der zum Gedenken für den 1992 ermordeten Richter Giovanni Falcone und symbolisch für alle Opfer der Cosa Nostra gepflanzt worden war. Und dann läuteten die Polizisten im Hauptquartier auch noch ihre Glocke, mit der sie große Erfolge bekannt zu machen pflegen – ein nahezu religiöses Ritual.

Vor drei Wochen erst hatten sie zum letzten Mal geläutet. Da war ihnen Domenico Raccuglia ins Netz gegangen. Der 45-Jährige, genannt „der Tierarzt“, galt als einer von jenen Mafiosi, die das Zeug dazu hatten, die unter dem Polizeidruck zerfallende „ehrenwerte Gesellschaft“ wieder aufzurichten – nachdem die Polizei 2006 den „Boss der Bosse“ verhaftet hatte: Bernardo Provenzano. Es folgten die „Operation Gotha“, bei der an die 60 Mitglieder des höheren Mafiaadels festgesetzt wurden und die Verhaftung von Vater und Sohn Lo Piccolo sowie von deren Todfeind Antonino Rotolo, die um die Gesamtleitung der Cosa Nostra stritten.

Nun jubelt zwar der Chefstaatsanwalt in Palermo, Francesco Messineo, die Cosa Nostra „treibe führungslos dahin“, Italiens oberster Mafiastaatsanwalt Piero Grasso merkt aber an: „Wir haben keine Ahnung, wer jetzt die Mafia führen wird.“

Einen Namen gibt es noch, und auf diesen konzentriert sich nun die Fahndung: Matteo Messina Denaro (47). „Mit den Leuten, die ich umgelegt habe, könnte man einen ganzen Friedhof füllen“, soll der sich rühmen. Der untergetauchte Messina Denaro regiert bisher im westsizilianischen Trapani, ob er nun auch die Herrschaft über Palermo übernehmen will, wissen die Ermittler offenbar nicht.

Wie schwierig der Kampf gegen die Cosa Nostra ist, davon zeugen zwei weitere Indizien. Das eine ist die zweischneidige Bemerkung der einschlägig erfahrenen Parlamentarierin Angela Napoli, die Verhaftung Giovanni Nicchis sei „ein weiterer tödlicher Schlag“ gegen die Mafia. Will heißen: Die Mafia hat schon viele solcher „tödlichen Schläge“ überlebt.

Das zweite ist die Beobachtung der Ermittler und auch der Antimafiabewegung „Addiopizzo“, dass trotz aller Fahndungserfolge die große Mehrheit der Geschäftsleute Palermos bis heute Schutzgeld zahlt. Die Stadtteilbosse und deren „Erpresser-Jungs“ üben ihre alte Macht offenbar ungebrochen aus. Der Polizeichef von Palermo, Alessandro Marangoni, befürchtet, die Cosa Nostra könne sich „camorrisieren“ und dem Beispiel der sizilianische Mafia folgen. Die neapolitanische Stadt-Camorra zersplitterte unter dem Fahndungsdruck in Kleinbanden, was blutige Revierkämpfe nach sich zog.

Regierungschef Silvio Berlusconi hat sich unterdessen die Fahndungserfolge auf seine eigenen Fahnen geheftet. Just in der Zeit, in der ihn ein Aussteiger beschuldigt, „politischer Auftraggeber für eine Serie mafiöser Bombenanschläge“ gewesen zu sein, sagt Berlusconi, die erfolgreiche Verhaftung der Spitzenmafiosi in seiner Amtszeit sei „die beste Widerlegung all dieser Verleumdungen gegen mich.“ Ein Staatsanwalt aus Palermo kommentierte: „Die Mafiosi werden immer noch von Polizei und Justiz verhaftet, nicht von der Regierung.“

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