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Panorama: Mekka, Welthandel, und ein deutscher Bus

Meist liegt der riesige Parkplatz der Messehalle von Amman verlassen dar. Doch dieser Tage wird er genutzt.

Meist liegt der riesige Parkplatz der Messehalle von Amman verlassen dar. Doch dieser Tage wird er genutzt. Von Reisebussen der besonderen Art. Die Fernster sind mit Zeitungspapier zugeklebt. Die Stuhlreihen herausgerissen. Stattdessen stapeln sich Kartons mit russischen Gläsern, indischen Staubsaugern und Honigfässern aus Metall im Inneren. Auf Fensterhöhe sind Holzplatten montiert, auf denen Matratzen und Bettdecken liegen.

In einem wohl einmal rot lackierten Bus, auf dessen Heckscheibe noch die Aufschrift "Reisedienst Bell" aus Insul/Ahrheim mit der Telefonnummer 02895-342 zu lesen ist, erhitzt eine alte Frau in geblümtem Kleid und Kopftuch auf einem Gaskocher Wasser. Zugelassen ist das klapperige Gefährt heute in Dagestan, das zur russischen Föderation gehört. Die alte Frau und die anderen Fahrgäste kommen aus der Hauptstadt Machatschkala und aus Derbent am Kaspischen Meer. In 15 umgebauten Reisebussen sind die Familien seit über einem Monat unterwegs. Über Iran und Irak sind sie nach Mekka gefahren, wo die muslimischen Pilger an der Wallfahrt Ende Februar teilgenommen haben.

Der Parkplatz in Amman ist eine Station auf dem Rückweg in die Heimat. Hier verkaufen sie ihre Waren, um die Pilgerfahrt zu finanzieren. Oder sie machen die Pilgerfahrt, um ihre Waren zu verkaufen.

Für Marka-al-Sharif aus Machatschkala ist es schon die zehnte Pilgerfahrt, die jeder Muslim einmal im Leben unternehmen soll, wenn er es sich leisten kann. Der 50jährige Mann im blauen Trainingsanzug und Plastiklatschen hat seine Teppiche auf dem Boden ausgebreitet. Schöne Kelime, feine aserbeidschandische Handarbeiten und moderne Billigware. 250 Dollar für einen mittelgroßen Kelim. Viel zu handeln gibt es in diesem Jahr nicht.

Schuld daran sind die Saudis. "Sie haben uns diesmal mit unseren Waren nicht ins Land gelassen. Wir mußten die Busse an der Grenze lassen und per Taxi nach Mekka fahren. Dort wäre ich diese Teppiche für 300 und mehr Dollar losgeworden, denn die Saudis haben viel Geld." In Amman, wo die Kaufkraft viel geringer ist, geht Marka al-Sharif dann in der Regel mit den Preisen für die Restware herunter. Aber diesmal nicht.

Einen Stand weiter blitzt kitschiges Goldgeschirr aus Plastik, daneben liegen getrocknete Fische, ein Haufen selbst gestrickter Babyschuhe, geschnitzte Spazierstöcke. Dazwischen einige Antiquitäten: Der schlichte Säbel aus dem ersten Weltkrieg für 200 Dollar, Silberschmuck und zerlöcherte Samoware. Der Renner in diesem Jahr scheint der Honig zu sein. In den verschiedensten Gelb- und Brauntönen leuchtet der Honig in den Gläsern. Aus den Metallfässern wird auf Wunsch auch frisch abgefüllt. Die Plastikschachteln mit den Honigwaben kommen aus Iran. Die Dagestaner haben die Waben dort auf der Durchreise nach Saudi-Arabien erstanden und verkaufen sie weiter.

Die meisten Käufer kommen wegen der Teppiche. Aber der jordanische Reiseleiter Ail M. Rawashdeh sucht nach der gleichen Strickjacke, die er vor Jahren schon einmal hier gekauft hat: "Reine Wolle, für vier Dinar (6 Euro) ", erzählt er stolz. Der zweite Sekretär der ägyptischen Botschaft ist glücklich, weil er endlich eine kleine Öllampe im Stile Aladins aus Metall gefunden hat. "Sonst gibt es die immer nur aus Ton."

Die Weltreisenden aus Dagestan machen mittlerweile einen erschöpften Eindruck. Auf ihren Teppichen liegen die Männer ausgestreckt und dösen, die Frauen in selbst gestrickten Pantoffeln schützen sich vor der bereits heißen Frühlingssonne mit Regenschirmen. Auch Marka al-Sharif hat die Nase voll. "Wir bezahlen pro Bus 150 Dollar an die jordanischen Behörden. Dafür wollten sie uns auf dem Parkplatz Toiletten und einige Lampen anbringen und uns mit Wasser versorgen. Nichts ist geschehen." An die russische Botschaft in Amman wendet Marka al-Sharif sich mit seinen Klagen erst gar nicht. "Die kümmern sich sowie so nicht um uns, weil wir unsere Unabhängigkeit wollen", glaubt er. Und so freut sich Marka al-Sharif, dass es in zwei Tagen weiter geht - nach Damaskus. Trotz all der Mühen - nächstes Jahr will er wieder dabei sein.

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