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Panorama: Mit der Temperatur steigt die Angst

Russische Umweltschützer befürchten Wiederholung der Brandkatastrophe vom vergangenen Sommer

Für das Wochenende rechnen die Meteorologen in Moskau mit hochsommerlichem Wetter und wolkenlosem Himmel. 23 Grad zeigte das Thermometer bereits am Freitag, und es soll noch wärmer werden. Eigentlich müsste bei den Menschen in der russischen Hauptstadt, die von Sonne und Wärme nicht gerade verwöhnt sind, Freude aufkommen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Mit einem ungewöhnlich warmen Mai, so unken Pessimisten, habe auch im vergangenen Jahr die Katastrophe begonnen. Jetzt werden wieder Erinnerungen an den letzten Sommer wach, als mitten in Russland über Wochen Temperaturen wie in den Wüsten Zentralasiens gemessen wurden. Die Temperaturen erreichten damals bis zu 40 Grad. Die Folge waren Wald- und Torfbrände, bei denen ganze Dörfer zerstört wurden. Über 3000 Menschen retteten nichts als das nackte Leben.

Moskau selbst erlebte im vergangenen August die schlimmste Umweltkatastrophe in der über 800-jährigen Geschichte der Stadt. Zu Sowjetzeiten trockengelegte Torfmoore im Umland hatten sich entzündet, Ostwind trieb die Rauchschwaden vor sich her. Tagelang lastete über der Zwölf-Millionen-Metropole eine giftige Dunstglocke, die das bloße Atmen zur Qual machte. Die Zahl der Todesfälle stieg im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt um fast 70 Prozent, Erkrankungen von Herz, Kreislauf und Atemwegen nahmen sprunghaft zu. Weil die Sicht nur wenige Meter betrug, kam der Verkehr zeitweilig zum Erliegen. Wer konnte, quartierte sich vorübergehend bei Verwandten und Freunden in St. Petersburg ein.

Die Katastrophe, warnen Umweltschützer, könnte sich wiederholen. Schon Ende Mai könnte sich die Situation dramatisch zuspitzen. Bereits jetzt stünden im Fernen Osten und in Sibirien größere Gebiete in Flammen, erklärte der Waldschutzbeauftragte der russischen Sektion von Greenpeace, Alexei Jaroschenko. Erste Waldbrände seien auch in Zentralrussland registriert worden, vor allem im Gebiet Wladimir östlich der Hauptstadt, warnte Jaroschenko. Auch im Umland stehen mehrere Torfgebiete wieder in Flammen. Der Greenpeace-Vertreter warf Mitarbeitern des Katastrophenschutzministeriums außerdem vor, die Statistiken über das Ausmaß der Brände zu beschönigen. Verharmlosung sei jedoch der falsche Weg, um eine Wiederholung des Dramas vom letzten Jahr zu vermeiden, sagte Jaroschenko. Auch die Regierung habe aus der Brand-Katastrophe von 2010 nichts gelernt.

Vor einem Jahr standen zeitweilig über 600 000 Hektar in Flammen, fast 180 000 Mann waren an den Löscharbeiten beteiligt. Experten hatten für die rasante Ausbreitung der Brände vor allem Änderungen des Forstgesetzes verantwortlich gemacht, mit denen der russische Staat seine Kompetenzen weitgehend an private Eigentümer abtrat. Damit wurde die Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden dezentralisiert und erheblich erschwert.

Besonders dramatisch ist die Situation derzeit in der Altai-Region an der Grenze zur Mongolei, wo in diesen Tagen fünf neue große Brandherde registriert wurden. Andrei Prigajew, der Leiter der dortigen Forstverwaltung, geht davon aus, dass Brandstiftung die Ursache ist. Einwohner hätten in mehreren Fällen Feuer gelegt, weil sie sich davon ähnlich üppige Entschädigungen erhoffen, wie sie die Brandopfer im letzten Jahr erhalten hatten.

Weitere Brände sind nach Ansicht des Forstmanns Prigajew von Kriminellen gelegt worden, die die Häuser der Dorfbewohner plünderten, während diese mit den Löscharbeiten zu tun hatten. Die Polizei fahndet intensiv nach den Tätern, bisher fehlt von ihnen jedoch jede Spur.

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