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Moderatorin: „Ich will nicht Alice Schwarzer sein“

Denn sie ist Ina Müller: Sängerin mit Gespür für Beziehungskisten – und einer wachsenden Fangemeinde

Besser kann die Rache nicht sein für ein Date, das zunächst perfekt scheint, aber in der Katastrophe endet. Der Mann: charmant, lustig und gut aussehend. Nach dem letzten Drink in der Bar bietet er der Frau an, sie mit dem Auto nach Hause zu fahren. Sie sagt nicht nein, steigt ein, blickt sich einmal um – und prompt ist die aufziehende rosa Wolke verweht. Auf der Rückbank ein Kindersitz, Lätzchen, Spielsachen und andere Indizien, die auf sein Leben als Familienvater hinweisen. Die Frau steigt wieder aus – und rächt sich auf eine Art und Weise, die ihr auch noch Geld und Ruhm einbringt: Sie singt einen Song darüber und landet jetzt mit dem Album in den Top Ten der deutschen Charts.

Ina Müller ist diese Frau, Sängerin, Autorin und Fernsehmoderatorin – und irgendwie auch ein Phänomen. Mit ihrer Musik und ihren Sendungen begeistert sie Frauen und Männer, Alte und Junge, Singles und Paare. Lange war sie mit ihren Texten, manche auf plattdeutsch, und als NDR-Moderatorin eher im Norden bekannt. Jetzt ist ihr neues Album „Liebe macht taub“ auf dem Markt. Ina Müller schickt sich damit an, aus ihrer norddeutschen Nische herauszutreten und deutschlandweit ein Star zu werden.

Schon ihre vorherige Platte „Weiblich, ledig, 40“ verkaufte sich über 100 000 Mal, sie erhielt dafür eine Goldene Schaltplatte und wurde für den Echo nominiert. Die im Sommer beginnende Tour ist in Städten wie Hamburg und Kiel bereits ausverkauft – und zwar an Fans im Alter von 11 bis 84 Jahren, wie Ina Müller selbst schätzt.

Vermutlich spricht sie die breiteste anzunehmende Zielgruppe an, weil in ihre Art alles hineinprojiziert werden kann: größere Schwester, beste Freundin, Traum-Schwiegertochter und Traum- Frau – die für den Geschmack mancher Männer vielleicht nur ein wenig zu viel redet. Aber als vierte von fünf Töchtern hat Ina Müller offensichtlich nicht nur früh gelernt, sich bemerkbar zu machen, sondern auch anzupacken. Sie wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe von Cuxhaven auf. In ihren Sendungen wie „Land und Liebe“, der chamanteren Version von „Bauer sucht Frau“ im NDR, nimmt sie ohne Zögern eine Mistgabel in die Hand. Eine Moderatorin und Sängerin, die weniger gekünstelt wirkt als Ina Müller, gibt es in Deutschland kaum. Diese Unbeschwertheit ist die beste Voraussetzung, um ihr Ziel zu erfüllen: „Ich will nur eines“, sagt Ina Müller: „Unterhalten.“ Und wählt dafür ein Thema, das alle interessiert: Die Beziehung zwischen Männern und Frauen und wie sie damit umgehen, dass die Liebe kommt und leider oft auch wieder geht.

So wie im Lied „Maxi-Cosi“, das von dem ernüchternden Date handelt und nach einem Hersteller für Kindersitze benannt wurde. Ihre Songs schreibt sie zusammen mit Frank Ramon, der auch schon für Anett Louisan und Roger Cicero getextet hat. Auch wenn die Stücke manchmal von zerplatzten Träumen handeln, wirken sie nie frustriert oder männerfeindlich. „Ich will ja auch nicht missionieren, sondern das Leben eher mit einem Augenzwinkern betrachten“, sagt sie.

Und so macht sich Ina Müller auf ihrem neuen Album lustig über Männer, die ab einem bestimmten Alter „Zurück in Muttis Bauch“ wollen oder auch über ihre eigenen Geschlechtgenossinnen, die immer noch alles in „Mark“ umrechnen, also ständig den neuen Freund mit dem alten vergleichen. Und all die Frauen, die wöchentlich „Germany's Next Topmodel“ anschauen, aber selbst keine Chance auf eine Modelkarriere hätten, würden Heidi Klum vermutlich gerne mal sagen: „Lieber Orangenhaut als gar kein Profil“, so wie es Ina Müller auf der Platte „Weiblich, ledig, 40“ singt.

„Sicher sollen meine Texte auch Mut machen, aber ich will damit kein neues Vorbild à la Alice Schwarzer sein“, sagt sie. Dass manche Männer sie im Internet wegen dieser Texte als frustrierte 40-Jährige bezeichnen, will sie nicht wissen. Sie liest sich solche Kommentare erst gar nicht durch. Auch in ihr Gästebuch schaut sie in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung des Albums nicht. „Ich bin bei so etwas nicht besonders stark“, sagt Ina Müller, „deshalb bin ich auch froh, dass ich bisher immer eher versteckt in einer Nische war.“ Damit dürfte es nun vorbei sein. „Liebe macht taub“ belegt aktuell Platz elf der deutschen Albumcharts. Und vermutlich wird Ina Müller auch im Fernsehen bald einen prominenteren Platz bekommen. Vielleicht schaut dann ja auch der untreue Familienvater zu – und ärgert sich, dass er vor dem Date den Kindersitz nicht im Kofferraum versteckt hat.

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