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Panorama: Mutter sein dagegen sehr

Experten: Kindeswohl muss Vorrang haben

Würzburg/Hannover - Beim Wunsch nach einem Kind sollten Paare nach Ansicht des Kinderschutzbundes nicht alles machen, was medizinisch möglich ist. „Ab einem Alter von 40 Jahren ist es für Frau und Kind eine Risikoschwangerschaft. Wir müssen schon nachfragen, wann es wirklich sinnvoll ist, der Natur ins Handwerk zu pfuschen“, sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth. Gerade Ärzte sollten bei Paaren jenseits der 40 Vorsicht walten lassen. „Es muss sehr genau abgewogen werden, ob ein individueller Wunsch nach Glück eine medizinische Aufgabe ist ohne Hinterfragen der Gründe und des Wohls des Kindes.“

In Aschaffenburg hatte vor wenigen Tagen eine 64-Jährige ein Mädchen geboren. Die Frau hatte sich im Ausland die mit den Samen ihres gleichaltrigen Mannes befruchtete Eizelle einer anderen Frau einsetzen lassen. Dies hatte in Deutschland heftige Diskussionen über die hierzulande verbotene Eizellenspende und spätes Mutterglück ausgelöst. Honkanen-Schoberth appellierte an die frischgebackenen Eltern aus Aschaffenburg, sich professionelle Hilfe für das Erziehen ihrer Tochter zu holen. „Es wäre zu wünschen, wenn sie sich ein unterstützendes Netzwerk von Verwandten und Freunden für das Kind schon jetzt aufbauten.“ Ältere Mütter und Väter könnten zwar wie andere auch gute und liebevolle Eltern sein. Dennoch laste auf Älteren der Druck, „geistig und körperlich mit der Entwicklung ihres Kindes mitzuhalten“. Herumtoben auf dem Spielplatz beispielsweise werde für die Aschaffenburger schwierig sein. Zugleich gab Honkanen-Schoberth zu bedenken, dass Kinder alter Eltern frühzeitig mit dem Tod von Mutter oder Vater konfrontiert würden. „Die Lebensdauerperspektive und der Gesundheitszustand der Eltern sind eine große Belastung für das Kind“, sagte sie. „Kinder sind nicht blöd und wissen, dass die Lebenszeit ihrer Eltern begrenzt ist.“ Die Aschaffenburger seien bereits 70 Jahre alt, wenn ihre Tochter in die Schule komme.

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland, Ulrich Hilland, bezeichnete die Schwangerschaft der 64-Jährigen als Missbrauch des medizinischen Fortschritts. Eltern hätten die Pflicht, sich um ihre Kinder zu kümmern. „Bei einer 64-jährigen Frau sehe ich aber Probleme, dass diese Pflicht auch bis zum Erwachsenwerden durchgeführt werden kann“, sagte er. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann kritisierte in der Debatte um die späte Mutterschaft der 64-Jährigen den „Machbarkeitswahn“. „Es gibt ethische Grenzen für das, was technisch machbar ist“, sagte sie. Bei Männern sei es oft der Fall, dass sie später Väter würden. Sie halte das Kinderkriegen in dem Alter „für Mütter und für Väter für zu spät“, sagte Käßmann.

Die 64-Jährige aus Aschaffenburg ist wahrscheinlich die älteste Frau, die in Deutschland jemals ein Baby zur Welt gebracht hat. dpa

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