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Panorama: Muttersprache Tanz

Daniil Simkin ist erst 17 Jahre alt und schon ein Weltstar des Balletts

Das Charisma von Nurejew, die Tanztechnik von Barischnikow – und bei der Arbeit ist er so zielgerichtet wie Vater Dmitri: Das sind die drei Vorbilder von Daniil Simkin. Der 17-jährige Balletttänzer am Staatstheater Wiesbaden wird von der Kritik als Ausnahmetalent hochgelobt und mit Preisen geradezu überschüttet: Zuletzt dekorierte ihn die Jury des Ballett-Wettbewerbs in Helsinki mit dem mit 10000 Euro dotierten Grand Prix. Anfang Juli trat er beim Internationalen Wettbewerb für Ballett und Modernen Tanz im japanischen Nagoya an – und gewann den zweiten Preis.

Simkins internationale Karriere hat längst begonnen: Wenn er nicht gerade bei Wettbewerben die Kritiker für sich einnimmt, ist er bei Ballettgalas zu sehen: Im August in Tokio und Finnland, im September in Montreal und Budapest, im Oktober in der Ukraine.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich Daniil Simkin nicht von anderen Zwölftklässlern. Er trägt Freizeitklamotten und Turnschuhe, mag Filme mit Robert de Niro und Al Pacino und die Schauspielerin Angelina Jolie. Sein Lieblingsfilm ist „Fight Club“ – nicht gerade zarter Stoff.

Simkin ist von seinen Eltern finanziell unabhängig; er kann von Gagen und Preisgeldern leben. Der jugendliche Tänzer wirkt selbstbewusster und erwachsener als seine Altersgenossen. Er verteidigt entschieden Nurejews Extravaganz; sein Charakter habe es ihm ermöglicht, „das nicht Normale“ auf der Bühne darzustellen.

Simkin steht seit seinem sechsten Lebensjahr auf der Bühne, Theateratmosphäre schnupperte er schon von frühester Kindheit an: In Nowosibirsk, wo die Simkins bis zu ihrer Auswanderung 1990 lebten, arbeiteten Vater Dmitri und Mutter Olga Aleksandrova als Balletttänzer. Die Mutter hat mittlerweile ihre Bühnenkarriere beendet und ist Ballettpädagogin an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Und sie trainiert ihren Sohn. „Es ist schon schwer, wenn sich die Eltern so im Beruf auskennen“, sagt Simkin, „das macht schon Druck.“ Seine Mutter müsse sich mitunter Kritik gefallen lassen, die eine fremde Lehrerin so nicht zu hören bekäme – und anders herum genauso. Er zanke nämlich schon mal um fachliche Fragen – Simkin ist kein gedrilltes Wunderkind unter der Knute einer ehrgeizigen Mutter. „Der Streit geht aber nicht ins Private“, betont er.

Er tanzt klassische Ballettrollen mit großem Körpergefühl, enormer Sprungkraft und hoher Muskelspannung von der Fingerspitze bis zum kleinen Zeh. Gepaart mit einer tänzerischen Eleganz und Präzision, die man einem 17-Jährigen kaum zutrauen würde, begeistert Simkin die Tanzfreunde. – Und die sparen nicht mit Vergleichen mit seinem Vorbild Nurejew. Tatsächlich erinnern Simkins ausgeprägtes Kinn und die hohen Wangenknochen an den tanzenden Exzentriker. Manchmal ist Simkin auch in „modernen Sachen“ zu sehen: „Mats Ek und Forsythe gefallen mir“, schließlich basiere der moderne Tanz auf klassischem Ballett.

„Ich muss sagen, der blonde Balletttänzer Daniil Simkin sah echt süß aus!“, schreibt ein weiblicher Fan in einem Ballett-Chat. Simkin nimmt den Ruhm professionell. Er beantwortet höflich auch die verliebten E-Mails. Denn der Tänzer will „auf keinen Fall arrogant werden“. Das heißt nicht, dass sich Simkin seiner Klasse nicht bewusst wäre: „Ich werde tanzen – wo, weiß ich noch nicht“, beantwortet er cool die Frage zu seiner Karriere nach dem bevorstehenden Abitur.

„In den Metropolen gibt es richtige Fans, die sich das Ballett zum Hobby gemacht haben“, staunt er. In Japan würden Balletttänzer gefeiert wie Popstars. Im finnischen Fernsehen lief die Meldung vom Sieg Simkins beim Ballettfestival Helsinki gleich nach der Hauptmeldung zur EU-Verfassung. – „Nur in Deutschland ist das anders. Tänzer sind gleich feminin, gleich schwul.“ Simkin kennt die Vorurteile. Er ist selbstbewusst genug, sie zu ignorieren.

Disziplin ist die Grundvoraussetzung für eine Ballettkarriere. Zwei bis drei Stunden Training, sechs Mal pro Woche, ein auf Monate hin durchorganisierter Tagesablauf. Aber selbst das hilft wenig, um Simkins größten Wunsch zu erfüllen: Noch zwei, drei Zentimeter zu wachsen – um später geeignete Partnerinnen zu finden.

www.daniilsimkin.com

Peter Steinke[Wiesbaden]

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