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Nach Todesfällen: "Fusel-Alarm" bei türkischen Behörden in Antalya

Nach dem Tod der drei deutschen Schüler werden die Kontrollen von Alkohol-Verkaufsstellen in den türkischen Urlaubsorten erheblich verschärft. Eine Sonderkommission sucht Panscher.

In vielen Hotels und Supermärkten in der Region um die südtürkische Urlauberstadt Antalya tauchen in diesen Tagen diskrete Herren aus Ankara auf und bitten um ein Gespräch mit der Geschäftsführung. Die Besucher sind nicht in den Ferien, sie sind im Dienst. Das "Amt zur Kontrolle des Tabak- und Alkoholmarktes" in der türkischen Hauptstadt hat Fachleute an die Sonnenküste entsandt, um alle Einrichtungen zu durchkämmen, in denen Alkohol ausgeschenkt oder verkauft wird. "Fusel-Alarm im Ferienparadies", kommentierte die Zeitung "Star" am Mittwoch.

Nach dem Tod von drei deutschen Realschülern in einem südtürkischen Hotel gehen die Behörden aus Sorge um Massenstornierungen in der anstehenden Urlaubsssaison jetzt massiv gegen mutmaßliche Panscher vor. Die Sonderkommission aus Ankara kontrolliert systematisch die Verkaufsstellen von Alkohol, um gepanschten Alkohol zu finden und um Panscher aufzuspüren.

Die Beamten des Polizeidezernats für organisiertes Verbrechen in Antalya machen ebenfalls Überstunden, berichtet die Anwältin Deniz Yildirim. Die Juristin vertritt die Angehörigen der deutschen Todesopfer. Ein Prozess gegen die Verantwortlichen werde möglicherweise im kommenden Monat beginnen, sagt sie. Derzeit gehe es aber noch darum, die Beweise zu sichern und Verdächtige zu fassen. Zwei leitende Angestellte des "Anatolia Beach Hotels" sitzen in Untersuchungshaft, der Hoteldirektor und ein Barmann wurden laut Yildirim mit einem Ausreiseverbot belegt.

Getränkehändler ist geflüchtet

Nach wie vor ist unklar, wie der gepanschte Wodka in die Gläser der sieben deutschen Realschüler kam, die sich Ende März zu einem Trinkgelage in einem Zimmer des "Anatolia" versammelt hatten. Drei von ihnen starben an den Folgen. Berichte, wonach die Realschüler ein von ihrem Lehrer ausgesprochenes Trinkverbot umgingen, indem sie sich von einem nahen Kiosk Schnaps besorgten, werden von der Staatsanwaltschaft in Kemer offenbar nicht mehr weiter verfolgt. Im "Anatolia" selbst wurden laut Anwältin Yildirim inzwischen mehrere Flaschen mit gepanschtem Alkohol gefunden.

Hauptverdächtiger ist der nach wie vor flüchtige Getränkehändler des Hotels. Der Unternehmer Cengiz E. wird mit Haftbefehl gesucht; er soll bereits vor zwei Jahren an der Ägäisküste in einen Skandal um gepanschten Schnaps verwickelt gewesen sein. Ob E. im Verdacht steht, den Fusel lediglich mit hohem Gewinn an das "Anatolia" verkauft zu haben, oder ob er selbst als Panscher verdächtigt wird, blieb am Mittwoch unklar. Auch die Frage, ob E. den gefährlichen Stoff noch an andere Hotels in der Gegend um Antalya lieferte, blieb zunächst unbeantwortet. Eine Hotelverband in Antalya forderte bereits, die Verantwortlichen für den Skandal von Kemer müssten hart bestraft werden.

Behörden sind aufgeschreckt

Der Fall der Deutschen haben das Interesse der Behörden auf das Problem des illegalen Alkohols gelenkt, kommentierte die türkische Zeitung "Taraf" am Mittwoch. "Vielleicht hätte es schon viel früher darauf gelengt werden müssen." Unter Berufung auf Polizeistatistiken meldete das Blatt, im vergangenen Jahr seien in der Türkei fast 400.000 Flaschen mit illegalem Alkohol beschlagnahmt worden. Fünf Prozent davon, rund 20.000 Flaschen, fanden die Beamten in Antalya.

Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von gepanschtem Alkohol in der Region und dem Billigurlaub-Modell, auf das viele Hotels in der Gegend seit Jahren setzen. Um immer billigere Übernachtungspreise bieten zu können, sparen die Hotels rigoros, was nach Einschätzung einiger Experten dazu führen kann, dass illegaler Schnaps eingekauft wird, weil er weit billiger ist als ordentlich versteuerte Ware. Nicht jeder illegale Alkohol ist gepanscht - aber mancher eben doch. "In Urlauberstädten wie Antalya wird illegaler Alkohol ausgeschenkt, um die Kosten zu senken", zitierte "Taraf" den Manager eines Luxushotels.

Wenn das stimmt, dann werden die Herren von der Sonderkommission in Antalya in vielen Fällen fündig werden. Bei so strikten Kontrollen sind Urlauber dann möglicherweise sicherer. "In dieser Saison habe ich keine Angst mehr, dass etwas passiert", sagt Anwältin Yildirim.

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