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Panorama: Nachspiel Schweiz – England

Ein Schiedsrichter hatte England ein EM-Tor verweigert. Er ist auf der Flucht

Der Schweizer Schiedsrichter Urs Meier hat sich vor der Hetzjagd des englischen Massenblattes „Sun“ in Sicherheit gebracht. Möglicherweise ist der 45-Jährige im Ausland abgetaucht. Seit seiner filmreifen Rückkehr von der Fußball-EM in Portugal in der vergangenen Woche war von dem bedrohten Schiedsrichter in seiner nordschweizerischen Heimatgemeinde Würenlos jedenfalls keine Spur zu finden.

Meier sagte in einem Gespräch mit dem Schweizer Radio: „Man hat mir empfohlen an einen Ort zu gehen, wo mich keiner kennt.“ Beobachter meinen, dass ein Schritt über die Grenze die beste Lösung für Meier sei. Denn in der Schweiz kennt fast jeder sein Gesicht.

Nur sollte er besser nicht nach England fahren. Dort kennt man sein Gesicht auch. Meier war unter Polizeischutz auf dem Flughafen in Zürich Kloten eingetroffen. Dort schleusten ihn die Beamten durch einen Nebenausgang in ein wartendes Auto. Aus Angst vor wütenden englischen Fans, die ihm auflauerten, war die Rückkehr Meiers lange Zeit geheim gehalten worden. In seiner Heimat sprangen dem Referee seither immer mehr helvetische Journalisten und Medienleute zur Seite.

Der Radiomoderator Roman Kilchsperger etwa übermittelte die Email-Adresse und die Telefonnummer der „Sun“ an seine Hörer. Die legten mit Tausenden Anrufen und Emails die Fernübermittlungszentrale und die Mailbox der Briten lahm. Im Gegenzug gab die „Sun“ den Radiomann zur Jagd frei. Jetzt gehen „Lawinen von Drohungen und Beschimpfungen“ bei Kilchsperger ein. „Fucking Bastard ist eine der schöneren“, meint er. Einen Leibwächter, wie Urs Meier ihn hat, will sich der Moderator jedoch noch nicht zulegen. „Die dümmsten Fans haben kein Geld, um in die Schweiz zu fliegen“, glaubt er.

„Zudem trage ich jetzt ein England-Trikot.“ Die „Sun“ startete die Treibjagd auf Schiedsrichter Meier unmittelbar nach dem Viertelfinalspiel Portugal-England. Meier hatte ein Tor der Engländer wegen eines vorher begangenen Fouls nicht anerkannt. Die Europäische Fußballunion (Uefa) gab Meier anschließend ausdrücklich Recht in seiner Entscheidung.

Die Briten jedoch fühlten sich um einen möglichen Sieg betrogen. Die „Sun“ überzog Meier mit einer Hasskampagne. Ihre aufgestachelten Leser lasen in der „Sun“ Meiers Telefonnummer und EmailAdresse. Sie bombardierten ihn mit wüsten Verbalattacken – bis hin zur Morddrohung. Jetzt plant der Referee, rechtliche Schritte gegen seine Peiniger einzuleiten. Besonders bitter für den Schweizer: Bislang hegte der Mann eine ehrliche Zuneigung für England und seine Bewohner.

Im vergangenen Jahr verbrachte Meier sogar einen ganzen Monat auf der Insel.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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